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Urteil
Jugendhilfe - Hilfe für jungen Volljährigen, der an Asperger-Autismus leidet - Schulbegleiter für Berufsschulbesuch als Maßnahme der Eingliederungshilfe

Gericht:

VGH Bayern 12. Senat


Aktenzeichen:

12 CE 12.2104


Urteil vom:

18.02.2013


Grundlage:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Der 1992 geborene Antragsteller leidet unter Asperger-Autismus (ICD 10: F 84.5), ADHS (ICD 10: F 90.0) sowie einer Artikulationsstörung (ICD 10: F 80.0). Er beansprucht im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Kosten eines Integrationshelfers (Schulbegleiters) für den Besuch der Städtischen Berufsschule 3 in Nürnberg zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin hatte dem Antragsteller bereits bis zum Abschluss der Mittleren Reife im Juli 2009 Eingliederungshilfe nach § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) in Form der Betreuung durch einen Schulbegleiter gewährt. Nach dem Schulabschluss und der Absolvierung verschiedener Berufspraktika gelangte der Antragsteller zu dem Entschluss, eine Berufsausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik anzustreben, und beantragte am 18. Juni 2011 für den mit der Ausbildung notwendig verbundenen Besuch der Städtischen Berufsschule 3 in Nürnberg erneut die Bewilligung eines Schulbegleiters als Maßnahme im Rahmen der Eingliederungshilfe für junge Volljährige. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26. August 2011 ab. Dem Antragsteller sei es gemäß § 10 SGB VIII zumutbar, vorrangig Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Anspruch zu nehmen und im vorliegenden Fall statt der gewünschten Ausbildung eine von der Bundesagentur für Arbeit geförderte und empfohlene Ausbildung zum Fachlageristen mit einem Besuch der Berufsschule des Berufsbildungswerks Rummelsberg zu absolvieren. Hieran könne er zu einem späteren Zeitpunkt eine weiterführende Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik anschließen. Hinsichtlich seiner beruflichen Entwicklungs- und der Verdienstmöglichkeiten unterliege er damit keinen unzumutbaren Einschränkungen. Aufgrund des Vorrangs der arbeitsförderungsrechtlichen Maßnahme sei die Kostenübernahme für einen Schulbegleiter beim Besuch der Regelberufsschule abzulehnen. Trotz dieser ablehnenden Entscheidung begann der Antragsteller ohne Schulbegleiter im September 2011 die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik.

Nachdem die Regierung von Mittelfranken unter Hinweis auf das in Art. 12 GG garantierte Grundrecht auf freie Berufswahl und das unstreitige Vorliegen eines Anspruchs auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII zunächst angeregt hatte, dem gegen den Ablehnungsbescheid eingelegten Widerspruch abzuhelfen, wies sie den Widerspruch nach Durchführung weiterer Ermittlungen der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. Juni 2012 zurück. Beim Antragsteller sei die Unterstützung durch einen Schulbegleiter nicht notwendig und nur in bedingtem Maße geeignet, die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen. Da die Gefahr bestehe, dass der Einsatz eines Schulbegleiters bei Betroffenen zu einer gewissen Isolation führe, sei von dieser Maßnahme zurückhaltend Gebrauch zu machen. Im vorliegenden Fall habe die Berufsschule während des ersten Berufsschuljahrs vorbildlich versucht, sich auf die besondere Situation des Antragstellers einzustellen. Bei Prüfungen erhalte er einen Nachteilsausgleich in Form einer Arbeitszeitverlängerung. Soweit der Unterrichtsbesuch daher einigermaßen geordnet verlaufe, könne die Schule nicht dazu gezwungen werden, die Anwesenheit eines Integrationshelfers während des Unterrichts zu gestatten. Halte sich ein Schulbegleiter nur für Krisensituationen außerhalb des Unterrichtsraums in Bereitschaft, weise die Maßnahme nur einen geringen Nutzen auf. Gegenwärtig könne der Antragsteller bei akuten Krisensituationen auch mit der Schulsozialarbeiterin Kontakt aufnehmen. Derartige Krisensituationen seien indes bislang nicht aufgetreten. Vielmehr werde der Antragsteller durch Kontakte mit einem älteren Umschüler in die Klasse integriert.

Zusätzlich zur Kostenübernahme für einen Schulbegleiter beantragte der Antragsteller beim beigeladenen Bezirk am 7. Januar 2012 per Email die Gewährung eines persönlichen Budgets. Ob dieses vom Beigeladenen als Hilfeleistung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder von der Antragsgegnerin im Rahmen der Eingliederunghilfe für junge Volljährige nach § 41 i.V.m. § 35a SGB VIII zu übernehmen sei, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Dem Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten für einen Schulbegleiter während des gesamten Zeitraums des Besuchs der Berufsschule 3 in Nürnberg zu verpflichten, gab das Verwaltungsgericht mit dem nunmehr von der Antragsgegnerin angefochtenen Beschluss vom 29. August 2012 (Az.: AN 14 E 12.01084) insoweit statt, als es die Antragsgegnerin verpflichtete, für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Beginn des Berufsschuljahrs die Kosten eines Schulbegleiters des Antragstellers für den Besuch der städtischen Berufsschule 3 in Nürnberg zu übernehmen. Über den Halbjahreszeitraum hinaus lehnte es den Antrag ab.

Angesichts des bevorstehenden zweiten Berufsschuljahres sei von der Dringlichkeit als Anordnungsgrund auszugehen. Der Antragsteller habe auch einen Anordnungsanspruch aus §§ 41, 35a SGB VIII für eine vorläufige Regelung glaubhaft gemacht. Einer Entscheidung über die Übernahme der Kosten eines Schulbegleiters für die gesamte Dauer des Berufsschulbesuchs stehe das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren entgegen. Wenn, wie im vorliegenden Fall, ausnahmsweise trotz einer - teilweisen - Vorwegnahme der Hauptsache dennoch der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten sei, müsse die Anordnung auf die Dauer von sechs Monaten beschränkt werden.

Dem Antragsteller komme gegenüber der Antragsgegnerin ein Anspruch aus §§ 41, 35a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII auf Gewährung eines Integrationshelfers zu. Als junger Volljähriger im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII, der das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, rechne er zum Personenkreis des § 41 Abs. 1 SGB VIII. Nach der von der Antragsgegnerin eingeholten Stellungnahme des Diplom-Psychologen und Approbierten Psychologischen Psychotherapeuten xx vom 15. August 2011 besitze der Antragsteller ein Entwicklungspotenzial, das eine Persönlichkeitsentwicklung über den derzeitigen Stand hinaus mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lasse, wobei eine eigenständige Lebensführung ohne begleitende professionelle Hilfe als in der Zukunft erreichbares Ziel angesehen werde. Der Antragsteller unterfalle auch § 35a Abs. 1 SGB VIII. Mit angeborenem Asperger-Syndrom habe er erhebliche Probleme in der Kommunikation und in der sozialen Interaktion, was zu einer deutlichen und übergreifenden Beeinträchtigung im zwischenmenschlichen Bereich und zu Teilhabebeeinträchtigungen in mehreren Feldern führe. Diese Sicht werde von der Antragsgegnerin geteilt, die beim Antragsteller vom Grundsatz her den Bedarf für einen Integrationshelfers gemäß §§ 41, 35a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII für gegeben erachte. Angesichts dessen erweise sich die Ablehnung des Antrags des Antragstellers unter Berufung auf § 10 SGB VIII als rechtswidrig.

Die dem Ablehnungsbescheid zugrunde liegende Auffassung der Antragsgegnerin, sie könne den Antragsteller auf einen anderen als den von ihm gewählten Berufsweg verweisen, für den die beantragte Hilfe nicht notwendig sei, halte einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Dem stehe das Recht der freien Berufswahl aus Art. 12 GG und die Berufsschulberechtigung nach Art. 40 des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes (BayEUG), ggf. in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayEUG, entgegen. Offenbar besitze der Antragsteller trotz der bei ihm bestehenden seelischen Behinderung die intellektuellen Möglichkeiten, sein Berufsziel zu erreichen. Eine Hilfe, die ihn beim Erreichen seines Berufsziels unterstütze, könne deshalb nicht als nicht erforderlich bzw. nicht notwendig angesehen werden.

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei der Schulbegleitung um die für den Antragsteller geeignete und notwendige Hilfe handele, bilde nach wie vor die fachliche Stellungnahme des Diplom-Psychologen xx vom 15. August 2011. Eine andere fachliche Stellungnahme läge nicht vor. Die von der Antragsgegnerin im Lauf des ersten Berufsschuljahrs beobachtete Entwicklung des Antragstellers werde von der in dieser Stellungnahme enthaltenen Empfehlung mit umfasst. Dem könne die Antragsgegnerin nicht entgegenhalten, dass sich nach dem ersten Berufsschuljahr gezeigt habe, dass der Antragsteller keine Hilfe mehr benötige, weil er sich auch ohne Schulbegleiter an der Schule zu Recht gefunden habe. Der Antragsteller leide nach seinem eigenen Vorbringen trotz Bewältigung des ersten Berufsschuljahres nach wie vor unter behinderungsbedingten Nachteilen. Die von der Antragsgegnerin angestellten telefonischen Ermittlungen bei Lehrern und Schulpersonal der Berufsschule 3 litten insoweit an begründeten Zweifeln. Die Aussagen, insbesondere was die Teilhabe des Antragstellers an der Schulgemeinschaft betreffen, unterschieden sich z.T. erheblich. Letztlich hätte die Antragsgegnerin der fachlichen Einschätzung des Diplom-Psychologen xx vom 15. August 2011 eine erneute fachliche Einschätzung entgegenstellen müssen, um berechtigt zu der Auffassung gelangen zu dürfen, nach einem Jahr Berufsschule habe sich der Antragsteller trotz Weiterbestehens seiner Behinderung in seinem Kontakt- und Teilhabeverhalten so stabilisiert, dass nunmehr die Unterstützung durch einen Schulbegleiter nicht mehr erforderlich sei.

Mit ihrer mit Telefax vom 12. September 2012 erhobenen und mit Telefax vom 2. Oktober 2012 begründeten Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im vorliegenden Fall nicht vorlägen.

So beinhalte bereits die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung eines Schulbegleiters sei rechtswidrig gewesen, eine unzulässige Vorwegnahme des Ergebnisses der Hauptsache. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit lasse, da die Streitsache anscheinend entscheidungsreif sei, die Grundlage für den Erlass einer einstweiligen Anordnung entfallen. Es bestehe insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis. Im Widerspruch hierzu gehe der angegriffene Beschluss an anderer Stelle jedoch von einer bislang defizitären Sachverhaltsaufklärung durch die Antragsgegnerin aus. Fehle es insoweit aber an der Entscheidungsreife lasse sich die Rechtswidrigkeit der Ablehnung des Schulbegleiters indes nicht abschließend beurteilen. Der Beschluss vermittle daher den Eindruck, dass im Hauptsacheverfahren keine unvoreingenommene Entscheidungsfindung mehr möglich sei.

Weiter verkenne das Verwaltungsgericht, dass bei Leistungen nach § 35a SGB VIII dem Jugendamt unter Berücksichtigung der Wünsche des Hilfeempfängers ein Beurteilungsspielraum bei der konkreten Ausgestaltung der Hilfe zukomme. Dem Antragsteller könne daher kein Anspruch auf einen Schulbegleiter in der von ihm begehrten Ausprägung zukommen. Hinsichtlich der Notwendigkeit und Geeignetheit einer bestimmten Hilfemaßnahme besitze das Verwaltungsgericht nur eine eingeschränkte Kontrollkompetenz. Demnach könne es erst recht keine Vorgaben über die konkrete Ausgestaltung einer bestimmten Hilfemaßnahme machen.

Der Antragsteller besitze schließlich auch keinen Anordnungsanspruch. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII bei ihm sei unstreitig. Soweit § 35a Abs. 1a SGB VIII die Einholung eines Gutachtens verlange, übersehe das Verwaltungsgericht, dass sich dessen Aussage nur auf die Tatbestandsvoraussetzung des § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, d.h. auf die Abweichung der seelischen Gesundheit beziehen dürfe. Der Gutachter habe hingegen nicht über das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung bzw. über die erforderliche Therapie zu befinden. Das Verwaltungsgericht hätte daher aus dem Gutachten des Diplom-Psychologen xx keinen Schluss auf das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung ziehen dürfen. Die Feststellung der Teilhabebeeinträchtigung obliege im Rahmen sozialpädagogischer Fachlichkeit allein dem Jugendamt. Das Jugendamt der Antragsgegnerin habe indes im Rahmen einer Sonderentscheidungskonferenz nicht feststellen können, dass beim Antragsteller Hilfe in Form eines Integrationshelfers zu leisten sei. Es habe seinen entsprechenden Antrag vielmehr abgelehnt. Darüber hinaus lasse der Umstand, dass der Antragsteller das erste Berufsschuljahr ohne einen Schulbegleiter bestanden habe und auch das weitere Vorrücken nicht gefährdet sei, den Schluss zu, dass bei ihm eine Teilhabebeeinträchtigung von Anfang an nicht vorgelegen habe, jedenfalls aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr vorliege.

Zwar sei das Jugendamt bei der erstmaligen Befassung mit dem Antrag des Klägers wohl vom Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung ausgegangen. Mittlerweile stelle sich die Sachlage jedoch anders dar. Denn der Antragsteller habe das erste Lehrjahr erfolgreich abgeschlossen. Der schriftlichen Bemerkung im Jahreszeugnis der Berufsschule ("Herr xx war ein anständiger und höflicher Schüler, der sich in die Klassengemeinschaft einfügte. Er arbeitete mit und zeigte dabei zufriedenstellende Konzentration und Ausdauer. Für das kommende Schuljahr sollte er sich allerdings um mehr Pünktlichkeit bemühen.") könne eine Teilhabebeeinträchtigung gerade nicht entnommen werden. Auch lasse sich aus den erzielten Noten die Notwendigkeit eines Integrationshelfers nicht ableiten. Weder das Erreichen des Klassenziels noch der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung seien gefährdet.

Darüber hinaus erweise sich die Stellung eines Schulbegleiters als nur bedingt geeignet, die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen. Denn durch Maßnahmen der Eingliederungshilfe solle die Selbstbestimmung und Gleichberechtigung seelisch behinderter Menschen gefördert werden. Der bisherige Verlauf der Ausbildung des Antragstellers habe jedoch gezeigt, dass er die Anforderungen seiner Ausbildung auch gut selbst meistern könne.

Weiter verkenne das Verwaltungsgericht den Beurteilungsspielraum, der dem Jugendamt bei seiner Entscheidung über geeignete und notwendige Therapiemaßnahmen zustehe und der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliege. Insoweit setze es sich mit den Ausführungen der Antragsgegnerin bzw. den Gründen des Widerspruchsbescheids nicht auseinander. Nach letzteren solle der Schulbegleiter als Individualhelfer zurückhaltend eingesetzt werden, weil andernfalls die Gefahr bestehe, dass der Hilfeempfänger isoliert werde, eine weitere Stigmatisierung eintrete und dadurch die Ziele der Eingliederungshilfe konterkariert würden.

Die Berufsschule habe sich auf die besonderen Bedürfnisse des Antragstellers eingestellt; bei Prüfungen gewähre sie ihm einen Nachteilsausgleich durch Verlängerung der Arbeitszeit. Darüber hinaus besitze der Antragsteller die Möglichkeit, mit der Schulsozialarbeiterin Kontakt aufzunehmen. Die Berufsschule habe keine Vorfälle kommunizieren können, die zu einer nachhaltigen Störung der Schulsituation geführt hätten. Da sich ein älterer Umschüler des Antragstellers angenommen habe, könne er als in seine Klasse integriert angesehen werden. Hierbei gelte es auch zu berücksichtigen, dass sich der Besuch der Berufsschule auf einen oder maximal zwei Tage in der Woche konzentriere, sodass dem sozialen Zusammenhalt der Schulklasse geringere Bedeutung als bei einem normalen Schulbesuch zukomme. Auch bestehe eine vorrangige Verpflichtung der Schule, behinderten Schülern eine bedarfsdeckende und -gerechte Hilfe zukommen zu lassen. Im Fall des Antragstellers sei die Berufsschule dieser Verpflichtung nachgekommen, sodass sich der Jugendhilfeträger nicht mangels ausreichender Leistungen der Schule selbst zur Leistung habe verpflichtet sehen müssen.

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Amtsermittlung auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gelte. Das Verwaltungsgericht hätte daher durchaus selbst Ermittlungen tätigen können, um den Sachverhalt aufzuklären.

Zusammenfassend müsse daher davon ausgegangen werden, dass es jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt an einer Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers fehle, sodass über die weitere Frage, wie konkret eine mögliche Hilfe auszugestalten sei, nicht mehr entschieden werden müsse. Jedenfalls vertrete die Antragsgegnerin die Auffassung, dass es sich bei dem beantragten Schulbegleiter für den Antragsteller auch um keine geeignete Form der Hilfegewährung handele. Für den Schulbegleiter bestünde, wie das Leistungsbild des Antragstellers zeige, kein Bedarf. Auch sei ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nicht auf eine Maximalförderung gerichtet. § 35a Abs. 3 SGB VIII verweise auf § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Demnach unterfallen der Eingliederungshilfe auch Hilfen zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf, wozu auch der Berufsschulbesuch rechne. Ziel der Eingliederungshilfe könne es nicht sein, die jeweils bestmögliche Förderung zu gewährleisten. Da der Antragsteller im Verlauf des ersten Berufsschuljahrs bewiesen habe, dass er aus eigener Kraft die Lehre erfolgreich absolvieren könne, bestehe vorliegend kein Raum für die Gewährung weiterer Hilfen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. August 2012 abzuändern und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, da dem Antragsteller ein Anspruch auf Gewährung eines Schulbegleiters aus § 35a SGB VIII nicht zusteht.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen sowie

ihm für die Beschwerdeinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin xx beizuordnen.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin sei nicht begründet. In der vorläufigen Bewilligung des Schulbegleiters für einen Zeitraum von sechs Monaten liege keine Vorwegnahme der auf die Bewilligung einer Schulbegleitung für den gesamten Zeitraum des Berufsschulbesuchs gerichteten Klage. Im Zuge der vom Verwaltungsgericht vorzunehmenden Prüfung des Anordnungsanspruchs sei zugleich eine Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache erforderlich gewesen; dies beeinträchtige die Wirksamkeit der erlassenen einstweiligen Anordnung nicht.

Was die Ausgestaltung der vom Antragsteller begehrten Hilfe betreffe, ergebe sich diese aus dem von der Antragsgegnerin eingeholten Gutachten des Diplom Psychologen xx, das im Übrigen auch der Ausgestaltung der Hilfe des Antragstellers in seinem Ausbildungsbetrieb durch eine Berufshelferin entspreche. Damit sei das Ermessen der Antragsgegnerin auf die gutachterlich befürwortete Ausgestaltung der Hilfe beschränkt; eine andere Ausgestaltung reiche nicht aus. Weiter eingeschränkt werde der Entscheidungsspielraum der Antragsgegnerin ferner durch die gesetzgeberischen Vorgaben für die Inklusion durch die Novelle des BayEUG. Wenn die Antragsgegnerin weiterhin die Relevanz der Aussagen des Gutachtens des Diplom-Psychologen xx für das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung bestreite, müsse sie sich an ihrem eigenen Gutachtenauftrag festhalten lassen, wo sie genau dies abgefragt habe. Im Hinblick auf den Vorschlag der Sonderentscheiderkonferenz vom 19. August 2011, dem Antragsteller keinen Schulbegleiter zu bewilligen, sei festzuhalten, dass dieser unter Streichung von Passagen des Gutachtens xx wesentlich unter der Prämisse zustande gekommen sei, keinen Präzedenzfall für das Jugendamt der Beklagten zu schaffen, obwohl eigentlich ein entsprechender Hilfebedarf beim Antragsteller gesehen worden sei.

Soweit sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde erneut darauf berufe, der Antragsteller habe das Klassenziel erreicht, sein Vorrücken sei nicht gefährdet und er habe das erste Berufsschuljahr "bestanden", verkenne sie das Berufsschulsystem, bei dem es ein "Durchfallen" während der schulischen Ausbildung nicht gebe und sich erst beim Ablegen der Abschlussprüfung zeige, ob das Ausbildungsziel erreicht werde oder nicht. Dass dem Antragsteller behinderungsbedingt die Erfüllung des Ausbildungsziels im Rahmen der schulischen Ausbildung, für die er über die notwendigen kognitiven Fähigkeiten verfüge, bereits erheblich erschwert worden sei und ohne Unterstützung eines Schulbegleiters weiter erschwert werde, nehme die Antragsgegnerin nicht in den Blick.

Soweit die Antragsgegnerin ferner die Eignung des Schulbegleiters zur Erreichung der Ziele der Eingliederungshilfe in Frage stelle, setze sie sich neben der hierzu ergangenen Rechtsprechung auch zu den einschlägigen Empfehlungen des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung zur Schulbegleitung bei Autisten in Widerspruch. Aus diesen Empfehlungen lasse sich vielmehr ableiten, dass ein Schulbegleiter gerade im Fall des Antragstellers sehr gut geeignet sei, die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen.

Dass der Antragsteller die Anforderungen der Ausbildung auch gut selbst meistern könne, werde durch die bereits im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens vorgetragenen Begebenheiten widerlegt. Wenn lehrerseits gegenüber einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin erklärt werde, man habe den Antragsteller, wenn man mit seinen Verhaltsauffälligkeiten nicht mehr klar gekommen sei, für einige Zeit des Klassenzimmers verwiesen, zeuge dieser partielle Ausschluss vom Unterricht davon, dass der Antragsteller gerade nicht in der Lage sei, seine Ausbildung gut zu meistern. Demgegenüber zeitige der seit Beginn des zweiten Berufsschuljahrs laufende Einsatz einer Schulbegleiterin für den Antragsteller durchweg positive Effekte und werde von allen Beteiligten einschließlich der Lehrerschaft einhellig begrüßt.

Soweit die Antragsgegnerin den Antragsteller u.a. darauf verweise, sich unterstützend an die Schulsozialarbeiterin zu wenden, sei dem entgegenzuhalten, dass diese als Halbtagskraft bei einer Zuständigkeit für mehr als tausend Schüler gar nicht die Möglichkeit besitze, sich um die spezifischen Belange des Antragstellers zu kümmern. Sie sei ferner an seinem Berufsschultag gar nicht in der Schule anwesend. Könne die Schule die erforderliche Integrationshilfe nicht leisten, sei der Einsatz eines Schulbegleiters erforderlich.

Bei einem Schulbegleiter handele es sich vorliegend schließlich auch um die einzig mögliche Hilfe, den Teilhabebeeinträchtigungen des Antragstellers im Bereich Schule zu begegnen. In einer Situation, in der er seine betriebliche Ausbildung mit Hilfe eines Berufshelfers meistere, seine behinderungsbedingten Erschwernisse im Bereich der Berufsschule dagegen dazu führten, dass er zu seinem Leistungsvermögen inadäquat schlechte Bewertungen erziele und sich dadurch Rückschläge in seinem Verhalten und in seiner Persönlichkeitsentwicklung eingestellt hätten, sei einstweiliger Rechtsschutz geboten, um es dem Antragsteller zu ermöglichen, eine angemessen Berufsausbildung zu absolvieren.

Der Beigeladene führt aus, dass der Beschwerdegegenstand die Frage einer möglichen sachlichen Zuständigkeit des Bezirks nicht berühre. Er stellt keinen Antrag.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

openJur

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin der Anordnung des Verwaltungsgerichts nachgekommen ist und dem Antragsteller mit Beginn des Schuljahrs 2012/2013 für den Berufsschulbesuch eine Schulbegleiterin zur Verfügung gestellt hat. Denn jedenfalls im Hinblick auf einen möglichen Schadensersatzanspruch nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V. § 945 ZPO für den Fall der Aufhebung der einstweiligen Anordnung besitzt sie ein Rechtschutzbedürfnis für die Beschwerdeentscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 13.6.2001 - 12 CE 00.3602 - juris Rn. 12).

Die von ihr gegen die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, greifen indes nicht durch. Nach Auffassung des Senats ist es geboten, dem Antragsteller im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig für einen Zeitraum von sechs Monaten einen Integrationshelfer (Schulbegleiter) als Maßnahme der Eingliederungshilfe nach § 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB VIII i.V.m. § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII zur Verfügung zu stellen. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass bei einer unveränderten Sachlage die vom Verwaltungsgericht getroffene Anordnung über den vorliegend streitgegenständlichen Sechsmonatszeitraum hinaus bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache fortgeführt werden müsste.

1. Die Auffassung der Antragsgegnerin, im vorliegenden Fall fehle es deshalb am Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Verwaltungsgericht, weil mit der Annahme der Rechtswidrigkeit der Ablehnung des Schulbegleiters in der Streitsache bereits Entscheidungsreife eingetreten sei, das Verwaltungsgericht daher in der Hauptsache statt durch Erlass einer einstweiligen Anordnung hätte entscheiden müssen, geht fehl.

1.1 Die Antragsgegnerin schöpft mit ihrer Argumentation bereits die Gründe des angefochtenen Beschlusses nur unvollständig aus. Denn das Verwaltungsgericht erachtet nur die im Bescheid vom 26. August 2011 für die Ablehnung der Bewilligung einer Schulbegleitung gegebene Begründung, nämlich den von der Antragsgegnerin behaupteten Nachrang von Maßnahmen der Jugendhilfe gegenüber Arbeitsförderungsmaßnahmen und den Verweis des Antragstellers auf eine geringwertigere Ausbildung im Zusammenhang mit einer Berufsförderungsmaßnahme, die eine Schulbegleitung entbehrlich machen soll, für rechtswidrig. Ob im Übrigen, insbesondere unter Berücksichtigung der im ablehnenden Widerspruchsbescheid aufgeführten Gründe, die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB VIII in Verbindung mit § 35a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII für die Bewilligung eines Schulbegleiters als Maßnahme der Eingliederungshilfe gegeben sind, beurteilt das Verwaltungsgericht indes auf der Basis der vom Antragsteller glaubhaft gemachten Gründe. Damit liegt, anders als die Antragsgegnerin meint, keine Entscheidungsreife im Hauptsacheverfahren vor, die nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, sondern vielmehr den Anordnungsgrund der Eilbedürftigkeit entfallen ließe. Auch wenn das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin mögliche Defizite in der Sachverhaltsaufklärung attestiert, steht dies zu der angenommenen Rechtswidrigkeit der Nachrangigkeit der Jugendhilfemaßnahme jedenfalls nicht in Widerspruch.

1.2 Die in der Bewilligung eines Schulbegleiters für einen Zeitraum von sechs Monaten liegende partielle Vorwegnahme der Hauptsache macht die getroffene einstweilige Anordnung ebenfalls nicht rechtswidrig. Insoweit ist in Rechtsprechung und Kommentarliteratur anerkannt, dass die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG den Erlass einer einstweiligen Anordnung unter - teilweiser - Vorwegnahme der Hauptsache dann gebieten kann, wenn dem Antragsteller durch den Verweis auf die Entscheidung in der Hauptsache gravierende, unzumutbare Nachteile entstünden und die beantragte Maßnahme rückwirkend nicht mehr realisiert werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.). Der Erlass einer derartigen Anordnung bedarf indes einer nicht nur summarischen, sondern eingehenden Prüfung des Vorliegens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Dass das Verwaltungsgericht bei der Bejahung des Anordnungsanspruchs auf der Basis der Glaubhaftmachung des Antragstellers zugleich die Rechtswidrigkeit der Leistungsverweigerung durch die Antragsgegnerin feststellt, liegt in der Natur der Sache. Dadurch entfällt indes weder das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung noch liegt im Erlass der einstweiligen Anordnung eine die Besorgnis der Befangenheit begründende Voreingenommenheit, wie die Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung suggeriert.

2. Die gegen das Bestehen eines Anordnungsanspruchs von der Antragsgegnerin vorgetragen Gründe verhelfen der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.

2.1 Nach der Regelungssystematik des § 35a SGB VIII verlangt eine Hilfemaßnahme nach § 35a Abs. 2 Nr.1 SGB VIII als Tatbestandsvoraussetzung nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII zunächst ein Abweichen der seelischen Gesundheit eines Kindes oder Jugendlichen - im Rahmen des § 41 Abs. 1, Abs. 2 SGB VIII auch eines jungen Volljährigen - vom Lebensalterstypischen mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten. Das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals beim Antragsteller ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Darüber hinaus bedarf es nach § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII beim Betroffenen einer - aus der vom Alterstypischen abweichenden seelischen Gesundheit abgeleiteten - zumindest drohenden Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (Teilhabebeeinträchtigung). Während § 35a Abs. 1a SGB VIII Maßgaben für die Feststellung der seelischen Behinderung trifft und diese spezialisierten Fachkräften, wie beispielsweise psychologischen Psychotherapeuten, überantwortet, obliegt die Feststellung des Vorliegens der - drohenden - Teilhabebeeinträchtigung wie auch die Festlegung der geeigneten Hilfemaßnahmen, um der Teilhabebeeinträchtigung zu begegnen, dem Jugendamt. Unter dessen Federführung haben ärztliche und sozialpädagogische Fachkräfte nachvollziehbare und gerichtlich überprüfbare Aussagen insbesondere auch darüber zu treffen, welche Lebensbereiche und welches soziale Umfeld von der Teilhabebeeinträchtigung betroffen sind. Anders als die Auswahl der konkret notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahme ist das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich voll überprüfbar und besteht auf Seiten des Jugendamts kein Beurteilungsspielraum (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2009 - 12 CE 08.2731 - BayVBl 2010, 412 f., B.v. 18.2.2008 - 12 B 06.1846; Wiesner, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, 4. Aufl. 2011, § 35a Rn. 25a; Fischer in Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe, 4. Aufl. 2012, § 35a Rn. 13 f.).

Soweit die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde bemängelt, das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Beschluss zunächst verkannt, dass sich die Einschätzungskompetenz des von ihr als Gutachter herangezogenen Diplom-Psychologen und psychologischen Psychotherapeuten xx nur auf das Vorliegen der seelischen Behinderung, nicht hingegen auf die Teilhabebeeinträchtigung und die geeignete Hilfemaßnahme erstrecke, und hätte in der Folge seinen Beschluss nicht darauf stützen dürfen, dass im Gutachten xx vom 15. August 2011 gewissermaßen über den eigentlichen Kompetenzrahmen hinaus Feststellungen im Hinblick auf die Teilhabebeeinträchtigung und geeignete und erforderliche Hilfemaßnahmen getroffen worden sind, kann sie damit nicht durchdringen.

Denn im Rahmen der Feststellung einer Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers obliegt es der Antragsgegnerin, ihre vorliegenden Informationen heranzuziehen, auszuwerten und daraus nachvollziehbare und gerichtlich überprüfbare Schlussfolgerungen zu treffen. Trifft ein Gutachter jenseits des von § 35a Abs. 1a SGB VIII gezogenen Rahmens Aussagen zum Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung, darf das Jugendamt diese nicht ignorieren, sondern muss es sie verwerten und - will es von ihnen abweichen - ihnen nachvollziehbare, fachlich begründete Argumente, unter Umständen auch ein neues Sachverständigengutachten, entgegensetzen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 23.1.2012 - 12 B 1582/11 - juris, Rn. 5 ff.; Niedersächsisches OVG, B.v. 4.2.2009 - 4 LC 514/07 - juris Rn. 45 ff.). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist daher der vom Verwaltungsgericht verfolgte Prüfungsansatz für die Teilhabebeeinträchtigung beim Antragsteller nicht zu beanstanden.

2.2 Mit ihrem weiteren Vortrag, der Umstand, dass der Antragsteller ohne Schulbegleiter das erste Berufsschuljahr "bestanden" habe und sein weiteres "Vorrücken" nicht gefährdet sei, belege, dass jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Teilhabebeeinträchtigung im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII nicht (mehr) vorliege, dringt die Antragsgegnerin ebenfalls nicht durch.

Wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, bildet im Hinblick auf das Vorliegen einer Teilhabebeeinträchtigung beim Antragsteller das von der Antragsgegnerin in Auftrag gegebene Gutachten des Diplom-Psychologen xx vom 15. August 2011 den Ausgangspunkt, in dem dieser feststellt, dass es beim Antragsteller im Zusammenhang mit dem diagnostizierten Asperger-Autismus zu erheblichen Schwierigkeiten in der Erfassung sozialer Zusammenhänge, in der Kommunikation und in der sozialen Interaktion komme, die zu massiven zwischenmenschlichen Belastungen und zu einer Teilhabebeinträchtigung in den Bereichen Freizeit, Peer-Group, Sozialraum und Ausbildung mit Zukunftsperspektiven führe. Als Beispiele hierfür werden die ungebremste "Redefreude" des Antragstellers, die zum Scheitern einer Fördermaßnahme des Berufsbildungswerks geführt habe, sein zum Teil affektiv unangemessenes Verhalten, seine fehlende Empathiefähigkeit und seine fehlende Fähigkeit, Reaktionen anderer Gesprächsteilnehmer zu kalkulieren und zu erkennen, genannt. Der Antragsteller ecke sozial an, mische sich oft ungefragt in Gespräche ein, spreche laut und schnell und schneide immer wieder sexistische und Gewalt verherrlichende Themen an. Bei grundsätzlich vorliegender Ausbildungsreife, belegt durch seine bisherigen schulischen Leistungen, werde eine Schulbegleitung neben Unterstützungsmaßnahmen im Ausbildungsbetrieb für erforderlich gehalten. Die Absolvierung der höherwertigen Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik würde für den Antragsteller eine deutliche Verbesserung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedeuten.

Diese Einschätzung der Teilhabebeeinträchtigung (wie auch der Geeignetheit und Notwendigkeit der Schulbegleitung) teilte so offenkundig zunächst auch die Antragsgegnerin, wie sich aus dem Protokoll der Sonderentscheidungskonferenz vom 19. August 2011 ergibt (Bl. 427 f der Behördenakte), wonach beim Antragsteller ein Hilfebedarf für Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers nach § 41, § 35a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII vorliegt, seinem Antrag indes nicht wegen einer fehlenden Teilhabebeeinträchtigung, sondern vielmehr wegen des angenommenen Vorrangs einer Arbeitsförderungsmaßnahme nicht stattgegeben wurde.

Auch die von der Antragsgegnerin im Zuge des Widerspruchsverfahrens angestellten telefonischen Ermittlungen ergeben zunächst kein grundlegend abweichendes Bild von den behinderungsbedingten Nachteilen des Antragstellers, sodass in einer Email der zuständigen Sachbearbeiterin vom 16. April 2012 (Bl. 455 f. der Behördenakte) festgehalten wird: "Fakt ist, dass xx ein Asperger-Autist ist mit den entsprechenden Schwierigkeiten. Fakt ist, dass xx überfordert ist, die Reaktion anderer Menschen zu fühlen, zu begreifen und sich entsprechend zu verhalten. Hier muss er Strategien entwickeln, sich Verhaltensweisen aneignen. In der Schulsituation könnte ein Integrationshelfer dabei sicherlich einen wichtigen Beitrag leisten." Vorgetragen und von der Antragsgegnerin auch nicht in Abrede gestellt wurde im Zuge des Ausgangs- wie des Beschwerdeverfahrens, dass der Antragsteller im ersten Berufsschuljahr wiederholt des Klassenzimmers verwiesen werden musste, weil durch seinen ungebremsten Redefluss ein sinnvoller Unterricht nicht mehr möglich gewesen sei. Ferner sei eine Arbeit des Antragstellers deshalb mit der Note 5 bewertet worden, weil er die Lösung der Aufgabe laut vor sich hergesagt habe. Eine weitere Arbeit sei mit der Note 6 bewertet worden, weil er nicht in der Lage gewesen sei, verschiedene Gesichtsausdrücke verschiedenen Charakteren zuzuordnen. Diese Umstände weisen darauf hin, dass beim Antragsteller - trotz der "Bewältigung" der Berufsschule - nach wie vor auf schulischem Gebiet eine Teilhabebeeinträchtigung fortbesteht. Auch soweit die Antragsgegnerin aus dem Umstand, dass sich ein älterer Umschüler um den Antragsteller kümmere, ableitet, dieser sei in die Klassengemeinschaft integriert, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn dieser Umstand trifft zu den behinderungsspezifischen Teilhabebeeinträchtigungen des Antragstellers, nämlich seiner fehlenden Fähigkeit zu sozialer Interaktion und Kommunikation und seinem permanenten "sozialen Anecken", keine anderslautende Feststellung. Dies gilt in gleicher Weise für die Bemerkung im Jahreszeugnis, wonach der Antragsteller "ein anständiger und höflicher Schüler" sei, "der sich in die Klassengemeinschaft einfügte". Für die Annahme der Antragsgegnerin, dass bei ihm am Ende des ersten Berufsschuljahrs auf schulischem Gebiet keine Teilhabebeeinträchtigung mehr vorliege, fehlt es mithin an durchgreifenden Ansatzpunkten.

Soweit seitens des Gutachters xx eine drohende Teilhabebeeinträchtigung des Antragstellers auch im Hinblick auf seine berufliche Zukunftsperspektive durch ein Scheitern der Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik angesprochen wird, vermag die von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführte "Bewältigung" des ersten Berufsschuljahrs ohne Schulbegleiter einen Wegfall der Teilhabebeeinträchtigung nicht zu belegen. Insoweit gilt es, wie die Bevollmächtigte des Antragstellers zutreffend vorgetragen hat, zu berücksichtigen, dass der verpflichtende Berufsschulbesuch im Zuge des dualen Ausbildungssystems dazu dient, unabhängig von einem "Vorrücken" in den einzelnen Schuljahren einem Auszubildenden allgemeinbildende und fachliche Inhalte zu vermitteln. Der erfolgreiche Abschluss der Berufsausbildung hängt - jedenfalls bei der Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik - damit nicht vom "Bestehen" einzelner Schuljahre an der Berufsschule oder der Berufsschule als ganzer, sondern vielmehr vom Bestehen der Abschlussprüfung gemäß § 14 der Verordnung über die Berufsausbildung im Lagerbereich in den Ausbildungsberufen Fachlagerist/Fachlageristin und Fachkraft für Lagerlogistik (LwLogAusbV vom 26.7.2004 BGBl I S. 1887), die am Ende der Ausbildung an der Industrie- und Handelskammer abgelegt wird, ab. Ein an das Erreichen bestimmter Noten geknüpftes "Vorrücken" gibt es daher an der Berufsschule ebenso wenig, wie die an der Berufsschule erzielten Noten in das Ergebnis der Abschlussprüfung eingehen. Demnach können absinkende Noten in einzelnen Fächern trotz eines "Bestehens" des ersten Berufsschuljahrs bzw. der "Bewältigung" der Berufsschule gleichwohl auf die Gefahr eines Scheiterns der Ausbildung als Ganzes, die sich erst mit der Abschlussprüfung zeigt, hinweisen. Im Zuge der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Glaubhaftmachung genügt daher für die Annahme des Fortbestands einer Teilhabebeeinträchtigung, wenn der Antragsteller auf sein absinkendes Notenbild und - belegt durch die eidesstattliche Versicherung seiner Mutter - auf die Folgen des Schulbesuchs ohne Schulbegleiter, nämlich auf die Verfassung des Antragstellers nach Unterrichtsende (zunehmende Aggressivität, Vereinzelung, etc.) verweist. Das von der Antragsgegnerin angenommene "Bewältigen" der Berufsschule durch den Antragsteller im ersten Berufsschuljahr belegt demgegenüber den Wegfall einer drohenden Teilhabebeeinträchtigung im Hinblick auf die berufliche Ausbildung nicht.

2.3 Auch soweit die Antragsgegnerin unter Hinweis auf den Verlauf des ersten Berufsschuljahrs des Antragstellers die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Schulbegleitung als Maßnahme der Eingliederungshilfe bestreitet, kann sie damit nicht durchdringen. Insoweit besteht, wie sie zutreffend hervorhebt, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum des Jugendamts. Denn bei der Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen, sozialpädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des betroffenen Hilfeempfängers und mehrerer Fachkräfte, welche nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern nur eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten muss, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich daher darauf zu beschränken, ob allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet worden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind. Die Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist damit gerichtlich nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.1999 - 5 C 24/98 - BVerwGE 109, 155 ff.; BayVGH, U.v. 30.3.2006 - 12 B 04.1261 - juris Rn. 12).

Mit dem so umrissenen Prüfungsmaßstab für die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme der Eingliederungshilfe steht es nicht in Widerspruch, wenn das Verwaltungsgericht hierzu auch die Empfehlung für den Einsatz eines Schulbegleiters im Gutachten xx vom 15. August 2011 heranzieht. Zwar ist der Antragsgegnerin vom Ansatz her zuzubilligen, dass eine rechtliche Bindung an die Stellungnahme der in § 35a Abs. 1a SGB VIII genannten medizinischen Sachverständigen von Gesetzes wegen nur im Hinblick auf die Annahme der Abweichung der seelischen Gesundheit vom Lebensalterstypischen besteht, für deren Feststellung sie gesetzlich geboten ist. Dies bedeutet indes nicht, dass fachlichen Äußerungen eines psychologischen Psychotherapeuten auch im Hinblick auf geeignete Hilfemaßnahmen keine Bedeutung zukäme, zumal, wenn das Jugendamt in seinem Gutachtenauftrag um eine derartige Einschätzung selbst gebeten hat (vgl. Bl. 394 der Behördenakte: "Es bedarf nunmehr der Prüfung, ob die beantragte Hilfe für junge Volljährige die richtige Hilfe darstellt."). Es handelt sich in diesem Fall bei der abgegebenen gutachterlichen Stellungnahme vielmehr um eine fachliche Äußerung, mit der sich das Jugendamt, will es von ihr abweichen, auseinandersetzen und der es gegebenenfalls im Rahmen seines Beurteilungsspielraums seine sozialpädagogisch fundierte anderweitige Auffassung entgegensetzen muss. Eine Entscheidung des Jugendamts über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Hilfemaßnahme ist unter Beachtung des eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrollmaßstabs daher dann als unvertretbar anzusehen, wenn sie ohne substanziierte Auseinandersetzung entsprechende Feststellungen des Fachpersonals im Sinne von § 35a Abs. 1a SGB VIII ignoriert. Wenn dementsprechend das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss für die Beurteilung der Geeignetheit und Erforderlichkeit eines Schulbegleiters auch auf die Empfehlung im Gutachten xx abstellt, ist dies nicht zu beanstanden.

Die Annahme der Antragsgegnerin, bei der Stellung eines Schulbegleiters handele es sich um eine ungeeignete Hilfemaßnahme, erweist sich indes auch unter Berücksichtigung ihres weiteren Vortrags im Beschwerdeverfahren, als unvertretbar. So muss darauf hingewiesen werden, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihres kollektiven Entscheidungsprozesses zunächst selbst von der Geeignetheit eines Schulbegleiters für den spezifischen Hilfebedarf des Antragstellers ausgegangen ist, die Hilfe vielmehr nur aus Gründen einer angenommenen Nachrangigkeit der Jugendhilfe abgelehnt hat (vgl. hierzu oben 2.2). Sofern der Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken darauf abstellt, dass - bei grundsätzlicher Eignung eines Schulbegleiters als Maßnahme der Eingliederungshilfe bei behinderten Menschen - dessen Einsatz gleichwohl zurückhaltend erfolgen solle, da die "konkrete Gefahr" bestehe, "dass durch die ständige Betreuung eine gewisse Isolation eintritt und die Ziele der Eingliederungshilfe somit konterkariert werden", nennt er weder konkrete Anhaltspunkte für den Eintritt einer derartigen "Isolation" beim Antragsteller, noch berücksichtigt er die spezifischen Gegebenheiten von dessen seelischer Behinderung. Denn als Asperger-Autist leidet der Antragsteller an einer spezifischen Störung der sozialen Kommunikation und Interaktion und benötigt einen Schulbegleiter gerade deshalb, um seiner bestehenden, das Krankheitsbild prägenden sozialen Isolation im Gesellschaftsfeld "Schule" zu begegnen. Zutreffend verweist die Bevollmächtigte des Antragstellers in diesem Zusammenhang weiter auf die fachlichen Empfehlungen des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung für den Einsatz von Schulbegleitern bei Autisten (ISB-Handreichung Mobile Sonderpädagogische Dienste A 5: "Gelingensfaktoren für Schulbegleitung"). Ferner sieht das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz in Art. 30 Abs. 8 Satz 1 ausdrücklich die Möglichkeit einer Schulbegleitung als jugendhilferechtliche Maßnahme beim Schulbesuch vor. Schließlich lassen der Umstand, dass dem Antragsteller in der Vergangenheit bereits für die Erlangung der Mittleren Reife ein Schulbegleiter zur Verfügung gestellt worden ist, wie auch die Tatsache, dass seitens der Arbeitsverwaltung die Tätigkeit des Antragstellers in seinem Ausbildungsbetrieb eine Förderung durch einen sog. Berufsbegleiter erfährt, den Schluss auf die Ungeeignetheit der Schulbegleitung als Maßnahme der Eingliederungshilfe im Fall des Antragstellers unvertretbar erscheinen.

Der Stellung eines Schulbegleiters als Maßnahme der Eingliederungshilfe mangelt es auch nicht an der Erforderlichkeit. Zwar besteht bei Teilhabebeeinträchtigungen im Bereich "Schule" ein grundsätzlicher Vorrang schulischer Fördermaßnahmen, die ein Eingreifen der Jugendhilfe, sofern sie zur Bewältigung der Beeinträchtigung ausreichen, entbehrlich machen. Bestehen hingegen schulisch nur unzureichende oder keine Möglichkeiten zur Förderung eines seelisch behinderten Schülers, kommt der jugendhilferechtliche Anspruch auf Maßnahmen der Eingliederungshilfe zum Tragen (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2009 - 12 CE 09.686 - juris, Rn. 16 f.). Im vorliegenden Fall bestehen auf Seiten der Städtischen Berufsschule 3, trotz deren anerkennungswürdiger Bemühungen im Umgang mit dem Antragsteller, keine hinreichenden Möglichkeiten, seinen spezifischen Defiziten durch geeignete Fördermaßnahmen zu begegnen. Soweit seitens der Antragsgegnerin darauf hingewiesen wird, die Berufsschule gewähre dem Antragsteller als "Nachteilsausgleich" bei Prüfungsarbeiten eine Verlängerung der Bearbeitungszeit, läuft dies als Fördermaßnahme dann leer, wenn der Antragsteller behinderungsbedingt den Sinnzusammenhang der gestellten Aufgabe nicht erfassen kann. Auch soweit die spezifische Problematik des Antragstellers in der sozialen Kommunikation und Interaktion liegt, sieht die Berufsschule keinerlei geeignete Fördermaßnahmen vor. Wird der Antragsteller im Unterricht nicht mehr tragbar, verweist man ihn des Klassenraums. Die Schulsozialarbeiterin, auf die der Antragsteller verwiesen wird, besitzt angesichts ihrer Zuständigkeit für mehr als tausend Schüler offenkundig nicht die zeitlichen Möglichkeiten, sich des Antragstellers bei Krisensituationen anzunehmen, zumal sie sich an seinem Berufsschultag auch nicht in der Berufsschule aufhält. Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, inwieweit die gesetzliche Verankerung der Inklusion im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz, insbesondere in Art. 30b BayEUG, das Verhältnis zwischen schulischer Förderung und jugendhilferechtlicher Eingliederungshilfe tangiert, bedarf daher keiner Entscheidung.

An der Erforderlichkeit eines Schulbegleiters als Hilfemaßnahme fehlt es schließlich auch nicht deshalb, weil kein entsprechender Bedarf auf Seiten des Antragstellers gegeben ist, wie die "Bewältigung" des ersten Berufsschuljahrs ohne Schulbegleiter nach Auffassung der Antragsgegnerin belegen soll. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen sub 2.2 verwiesen werden, wonach nach Auffassung des Senats das Fortbestehen einer Teilhabebeeinträchtigung vom Antragsteller hinreichend glaubhaft gemacht worden ist. Die fortbestehende Teilhabebeeinträchtigung indiziert auch den fortbestehenden Bedarf für den Einsatz eines Schulbegleiters als geeignete Maßnahme der Eingliederungshilfe.

2.4 Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerde, einen Anspruch des Antragstellers auf einen Schulbegleiter unterstellt, die Verkennung ihres Beurteilungsspielraums bei der Ausgestaltung der Hilfemaßnahme durch das Verwaltungsgericht rügt, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Nach Ziffer 1. des Tenors des streitgegenständlichen Beschlusses erfolgte ihre Verpflichtung nicht zu einer Kostentragung für eine bestimmte Form von Schulbegleitung, sondern vielmehr zur Übernahme "der Kosten eines Schulbegleiters des Antragstellers für den Besuch der städtischen Berufsschule 3 in Nürnberg". Lediglich in den Entscheidungsgründen findet sich die Feststellung, der Antragsteller habe "glaubhaft gemacht, gegenüber der Antragsgegnerin einen Anspruch gemäß §§ 41, 35a Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII auf Gewährung eines Integrationshelfers in Form eines Schulbegleiters in der von ihm begehrten Ausprägung (...) zu haben" (S. 20 des Entscheidungsumdrucks). Selbst wenn man in dieser Formulierung der Entscheidungsgründe einen "Übergriff" in den von sozialpädagogischer Fachlichkeit geprägten Entscheidungsspielraum der Antragsgegnerin bei der konkreten Ausgestaltung einer bestimmten Hilfemaßnahme erblicken möchte, verhilft dies im vorliegenden Fall der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn die Antragsgegnerin legt nicht einmal ansatzweise dar, welche andere bzw. alternative Ausgestaltung der Hilfemaßnahme ihrer Auffassung nach der sozialpädagogischen Fachlichkeit entsprechen sollte. Auch beinhaltete der Entscheidungsvorschlag der Sonderentscheiderkonferenz vom 19. August 2011 die grundsätzliche Eignung des Einsatzes eines Schulbegleiters; letzterer wurde nur aufgrund des vermeintlichen Nachrangs der Hilfemaßnahme gegenüber einer Fördermaßnahme der Arbeitsverwaltung abgelehnt. Eine andere, als die vom Antragsteller vorgeschlagene Ausgestaltung, findet sich auch im Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken nicht. Hier wird vielmehr eine Ausgestaltung der Schulbegleitung, bei der der Schulbegleiter lediglich vor dem Klassenraum "für Notfälle" wartet, als ungeeignet verworfen. Mithin ergeben sich weder aus dem Beschwerdevortrag der Antragsgegnerin noch aus den sonstigen Umständen Anhaltspunkte dafür, dass eine andere als die vom Antragsteller vorgeschlagene Ausgestaltung der Schulbegleitung vorliegend als geeignete Hilfemaßnahme in Betracht zu ziehen wäre. Nur ergänzend ist in diesem Zusammenhang auch auf das Wunsch- und Wahlrecht des Antragstellers aus § 36 Abs. 1 Satz 4 SGB VIII hinzuweisen (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 18.12.2007 - 12 CE 07.2800, 2801 - juris Rn. 27 ff.). Die Antragsgegnerin vermag daher mit ihrem Hinweis auf den mutmaßlich unzutreffenden Bewertungsmaßstab des Verwaltungsgerichts mit ihrer Beschwerde nicht durchdringen.

2.6 Schließlich verhilft auch die Rüge einer Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn ungeachtet von dessen Gegenstand und Reichweite im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2001 - 10 ZE 01.320 - BayVBl. 2001, 533; VGH Baden-Württemberg, B.v. 2.11.2011 - 9 S 2217/11 - VBlBW 2012, 147 f.) trägt die Antragsgegnerin nicht einmal ansatzweise vor, welche tatsächlichen Ermittlungen das Verwaltungsgericht ihrer Ansicht nach konkret hätte tätigen sollen, welches Ergebnis diese Ermittlungen gezeitigt hätten und worauf und wieweit sich diese auf das Entscheidungsergebnis ausgewirkt hätten. Die behauptete Verletzung der Amtsermittlungspflicht bleibt daher in jeder Hinsicht unsubstanziiert.

3. Der Streit über ein dem Antragsteller zu gewährendes persönliches Budget zwischen der Antragsgegnerin und dem beigeladenen Bezirk bildet im vorliegenden Verfahren keinen Streitgegenstand. Da der Beigeladene im Beschwerdeverfahren auch keinen Antrag gestellt hat, trägt er im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO seine außergerichtlichen Kosten, sofern solche überhaupt angefallen sind, selbst.

4. Die Kosten des nach § 188 Satz 2 1. Halbs. VwGO gerichtskostenfreien Verfahrens trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Antragsgegnerin.

5. Dem Antragsteller kommt im Beschwerdeverfahren nach § 166 VwGO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO unter Berücksichtigung der eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse grundsätzlich ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung zu. Angesichts der Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin ist ein Ausspruch hierüber jedoch im vorliegenden Verfahren entbehrlich.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Referenznummer:

R/R8432


Informationsstand: 20.04.2020