II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Gemäß § 86b
Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtgesetz (
SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. das Vorliegen des materiell-rechtlichen Anspruchs, und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. der Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung. Gemäß § 86b
Abs. 2 Satz 2 Satz 4
SGG i.V.m. § 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung (
ZPO) sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, hat der Antragsteller Anspruch auf die beantragte Leistung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig abzulehnen. Bei offenem Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (
vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 27ff.).
Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Wege einer summarischen Prüfung an den voraussichtlichen Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BverfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927
ff.). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist den Gerichten allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen. Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (
BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927
ff.); dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (
vgl. BVerG, Beschluss vom 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365).
Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Erfolg. Dabei entscheidet das Gericht anhand der Folgenabwägung, da im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht abschließend geklärt werden kann. Die Folgenabwägung fällt dabei zu Gunsten des Antragstellers aus.
Ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch auf die Versorgung mit dem Steh- und Bewegungstrainer "Innowalk" hat, kann das Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht abschließend entscheiden.
Nach
§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27
Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 und 3
SGB V die ärztliche Behandlung sowie die Versorgung mit Hilfsmitteln. Als Hilfsmittel nach
§ 33 SGB V sind Gegenstände anzusehen, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder einer Behinderung vorzubeugen oder sie auszugleichen, soweit sie nicht als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen sind. Für den Fall, dass ein Hilfsmittel - allein oder dem Schwerpunkt nach überwiegend - der Sicherung eines Behandlungserfolges dient, und zusätzlich sein Einsatz untrennbar mit einer bestimmten Behandlungsmethode verbunden ist, ist das Hilfsmittel zudem nur dann verordnungsfähig, wenn die Behandlungsmethode gemäß
§ 135 SGB V durch den
G-BA positiv bewertet worden ist. Diese Voraussetzung besteht für jede neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die bisher noch keine positive Empfehlung gemäß § 135
SGB V durch den
G-BA ausgesprochen worden ist.
Der streitgegenständliche Bewegungstrainer "Innowalk" wird zu medizinischen Zwecken eingesetzt und ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Es ist unstreitig auch nicht entscheidend, dass der Bewegungstrainer bislang nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist. Denn die Eintragung im Hilfsmittelverzeichnis des
GKV-Spitzenverbandes ist keine notwendige Voraussetzung für den Anspruch auf ein bestimmtes Hilfsmittel.
Angesichts der Eigenschaft des "Innowalk" als Steh- und Bewegungstrainer, dessen Einsatz auf das ortsgebundene Training der Geh- und Stehfunktion gerichtet ist und er infolge seiner Ortsgebundenheit selbst keine Fortbewegung ermöglicht, geht das Gericht davon aus, dass das Hilfsmittel jedenfalls primär und dem Schwerpunkt nach einen therapeutischen Nutzen verfolgt. Ein Behinderungsausgleich, hier vorstellbar und vorgetragen durch die Vertikalisierung innerhalb des Gerätes in der Weise, dass hierdurch eine gesteigerte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft erfolgt, weil eine Kommunikation auf Augenhöhe während der Nutzung möglich wird, steht gegenüber der Ausrichtung als Therapiegerät, nach Auffassung des Gerichts deutlich im Hintergrund.
Die sich sodann anschließende Frage, ob die Nutzung des "Innowalk" als Hilfsmittel zur Krankenbehandlung eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Sinne des § 135
SGB V darstellt, ist zwischen den Beteiligten streitig. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage ist bislang nicht erfolgt. Unstreitig ist eine Methodenbewertung durch den
G-BA spezifisch auf den Einsatz des "Innowalks" weder durchgeführt noch bisher beantragt worden, so dass im Falle der Annahme, dass es sich bei dem Einsatz des "Innowalks" um eine neue Behandlungsmethode handelt, eine Verordnungsfähigkeit - in Ermangelung hier nicht ersichtlicher Ausnahmetatbestände - wir von der Antragsgegnerin zutreffend in deren Widerspruchsbescheid geprüft - nicht gegeben wäre.
Eine Behandlungsmethode ist dann "neu", wenn ihr ein neues theroretisch-wissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt. Sie ist auch dann "neu", wenn sie aus einer Kombination verschiedener - für sich allein jeweils bereits anerkannter oder zugelassener - Maßnahmen besteht, die in ihrer Kombination eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren. Ob eine Änderung oder Erweiterung wesentlich ist, ist am Schutzzweck des § 135
Abs. 1
SGB V zu orientieren. Danach dient die Notwendigkeit einer Empfehlung des
G-BA, bevor eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zulasten der
GKV erbracht werden darf, der Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen. Neue medizinische Verfahren dürfen zum Schutz der Patienten ohne hinreichende Prüfung ihres diagnostischen
bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken ihres diagnostischen
bzw. therapeutischen Nutzens und etwaiger gesundheitlicher Risiken in der vertragsärztliche Versorgung angewandt werden, und im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot darf die Leistungspflicht der
GKV nicht auf unwirksame oder unwirtschaftliche Untersuchungen und Behandlungsverfahren ausgedehnt werden (
BSG, Urteil vom 08.07.2015 -
B 3 KR 6/14 R, juris).
Das theoretische Konzept des "Innowalk" besteht in einer unterstützenden Vertikalisierung und einem fremdkraftbetriebenen Beintraining. Beide Ansatzpunkte sind für sich betrachtet nicht neu. "Stehständer" in feststehender und fahrbarer Ausführung sind in Gruppe 28 des
GKV-Hilfsmittelverzeichnisses gelistet. Der Steh- und Bewegungstrainer "Innowalk" setzt sich aus beiden Komponenten zusammen. Fraglich ist, ob die einzelnen Maßnahmen, Stehständer und fremdkraftbetriebenes Training, durch die Zusammensetzung eine wesentliche Änderung erfahren. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage dürfte es sein, wie das potentielle Anwendungsrisiko der Kombination zu bewerten ist, denn im Hinblick auf den therapeutischen Nutzen sind beide Komponenten unbestritten. Hierbei spielt es eine maßgebliche Rolle, dass der "Innowalk" von den Versicherten im häuslichen Umfeld in Eigenanwendung genutzt werden kann. Eine Behandlungsmethode kann auch dann "neu" sein, wenn sie nicht nur im Rahmen, beaufsichtigter physiotherapeutischer Behandlungen, sondern auch zu Hause in Selbstanwendung durchgeführt wird, da dann zu prüfen ist, ob das Risiko einer Überbelastung oder Falschbelastung im Rahmen der Selbstanwendung besteht.
Nach der Stellungnahme des
G-BA vom 17.08.2018 wird dort offenbar die Auffassung vertreten, dass es einer eigenständigen Methodenbewertung durch den
G-BA für das therapeutische Konzept des "Innowalk" für dessen Verordnungsfähigkeit nicht bedarf. Der "Innowalk" verfügt zudem über eine Spastikkontrolle, die den Motor im Falle eines zu starken Gegendrucks automatisch so lange abschaltet, bis sich die Spastik gelöst hat. Im Falle anderer fremdkraftbetriebener Kombinationstrainer der Gruppe 32 des
GKV-Hilfsmittelverzeichnisses bestehen jeweils dann Einschränkungen für eine Eigenanwendung, wenn eine eigenständige Abschaltung nciht möglich ist. Es kann im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden, ob die eingebaute Spastikkontrolle und die sonstige Funktionsweise des "Innowalk" im Hinblick auf das Nutzerrisiko eine Methodenbewertung durch den
G-BA erfordert.
Diese Frage wird im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu klären sein, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die technische Ausführung und die möglichen Risiken des "Innowalk" (
vgl. SG Hannover, Beschluss vom 31.08.2018 - S 89 KR 895/18 ER, Bestandteil der Akte).
Ebenfalls im Rahmen des Hauptsacheverfahrens wird abschließend zu prüfen sein, ob die Anwendung des "Innowalk" auch medizinisch erforderlich ist. Nach den Stellungnahmen des
Dr. H. geht die Kammer im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens davon aus, dass es Behandlungsalternativen - mit Ausnahme des wesentlich teureren "Lokomat" - für den Antragsteller gerade nicht gibt, mittels derer der Antragsteller aufgrund seiner erworbenen Spastiken und Sehnenverkürzungen seine Stehfähigkeit und Gehfähigkeit erhalten
bzw. erwerben kann.
Da somit das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht vollständig geklärt werden kann, hat das Gericht anhand der Folgenentscheidung zu entscheiden.
Diese Entscheidung fällt vorliegend zu Gunsten des Antragstellers aus, da der Erhalt der nach den Ausführungen des
Dr. H. andernfalls auf Dauer gefährdeten Mobilität und Transferfähigkeit des Antragstellers höher zu bewerten ist, als die finanziellen Folgen für die Versichertengemeinschaft, die mit einer möglicherweise unzutreffenden Bewilligungsentscheidung einhergehen. Das von
Dr. H. beschriebene Risiko des fortschreitenden Verlusts der Steh- und Gehfähigkeit für den Fall eines nicht erfolgenden achsengerechten Bewegungstrainings würde zudem neben den erheblichen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes des Antragstellers auch zu einer Mehrbelastung der Antragsgegnerin durch dann wiederum erforderliche, weitergehende Behandlungs- und Versorgungsleistungen für einen noch vergleichsweise jungen Versicherten führen.
Ein Anordnungsgrund ist schließlich ebenfalls glaubhaft gemacht. Angesichts des beschriebenen Fortschreitens der Spastiken durch die bevorzugte Sitzhaltung trotz der bereits eingeleiteten übrigen Maßnahmen ist dem Antragsteller ein weiteres Zuwarten, insbesondere das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache, nicht zumutbar.
Das Gericht überlässt es der Antragsgegnerin, ob sie die Versorgung des Antragstellers mit dem Innowalk in dem beantragten Wege einer Überlassung zur Miete oder auf andere Weise sicherstellt. Da sowohl der Antrag als auch die ärztliche Verordnung auf den Zeitraum von 6 Monaten begrenzt war, hat das Gericht eine Entscheidung, die über diesen Zeitraum hinausgeht, nicht getroffen. Bei weiterer ärztlicher Verordnung und weiterhin dokumentierter medizinischer Notwendigkeit dürfte eine vorläufige Versorgung allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu erfolgen haben.
Das Gericht weist darauf hin, dass Leistungen aufgrund des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig gewährt werden. Die auf dieser einstweiligen Anordnung hin gewährten Leistungen stehen daher unter dem Vorbehalt der Rückzahlung. Sollte sich in der Hauptsache erweisen, dass Leistungen zu Unrecht gewährt sind, besteht ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG in entsprechender Anwendung und trägt dem Erfolg des Antragstellers nach billigem Ermessen Rechnung.