A. Die Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.
I. Sie ist nach § 64
Abs. 1,
Abs. 2c
ArbGG i. V. m.
§ 5 Abs. 4 Satz 3 KSchG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66
Abs. 1, § 64
Abs. 7
ArbGG i. V. m. § 520
ZPO).
II. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der Zwischenstreit gemäß § 5
Abs. 4 Satz 2 und Satz 3
KSchG. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat die mit Schriftsatz vom 08. August 2018 eingereichte Kündigungsschutzklage der Klägerin gegen die Kündigung vom 12. Juni 2018 zu Recht nachträglich zugelassen.
1. Die Klage ist verspätet. Sie ist am 08. August 2018 beim Arbeitsgericht eingegangene, hätte jedoch spätestens am 04. Juli 2018 anhängig gemacht werden müssen, um die dreiwöchige Klagefrist des
§ 4 Satz 1 KSchG zu wahren. Die Kündigung vom 12. Juni 2018 ist der Klägerin spätestens am 13. Juni 2018 durch den Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten der Klägerin am 12. Juni 2018 um 13.20 Uhr zugegangen.
Eine verkörperte Willenserklärung geht unter Abwesenden
i. S. v. § 130
Abs. 1 Satz 1
BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihr Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen, wie ein Briefkasten. Der Einwurf in einen Briefkasten bewirkt den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Wenn für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob er daran durch Krankheit, zeitweiliger Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. Den Empfänger trifft die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, so wird der Zugang durch solche - allein in seiner Person liegende - Gründe nicht ausgeschlossen (ständige Rechtsprechung des
BAG,
vgl. BAG 25. April 2018 - 2 AZR 493/17 - Rn. 15, juris).
2. Der von der Klägerin vorsorglich für den Fall der Verfristung der Kündigungsschutzklage gestellte Antrag auf nachträgliche Zulassung dieser Klage ist zulässig und begründet.
Nach § 5
Abs. 1 Satz 1
KSchG ist auf Antrag des Arbeitnehmers die Klage nachträglich zuzulassen, wenn er nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben.
a. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zulässig ist. Insbesondere ist die zweiwöchige Antragsfrist des § 5
Abs. 3 Satz 1
KSchG nach Behebung des Hindernisses gewahrt.
Der Begriff des Hindernisses in § 5
Abs. 3 Satz 1
KSchG knüpft an den der Verhinderung in § 5
Abs. 1 Satz 1 KschG an. Ist die fortbestehende Unkenntnis nicht länger unverschuldet, beginnt die Zweiwochenfrist (
BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 87, juris).
Das von der Klägerin angeführte Hindernis - ihre Unfähigkeit zur Kenntnisnahme ihrer Post aufgrund ihrer psychischen Erkrankung - ist nach ihrem Vortrag zwar an sich auch bei Klageerhebung noch nicht entfallen gewesen, jedoch hat der Vater der Klägerin das Kündigungsschreiben am 25. Juli 2018 entdeckt und mit ihr die Inanspruchnahme gewerkschaftlichen Rechtsschutzes am 26.
bzw. 27. Juli 2018 besprochen und anschließend das vorliegende Verfahren einleiten lassen.
Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ging am 08. August 2018 und damit innerhalb von zwei Wochen ab dem 25. Juli 2018 bei dem Arbeitsgericht ein.
Darüber hinaus ist damit auch die sechsmonatige Frist des § 5
Abs. 3 Satz 2
KSchG gewahrt.
Der Zulassungsantrag ist entsprechend § 5
Abs. 2 Satz 1
KSchG mit der Klageerhebung verbunden. Darüber hinaus genügt er auch dem formellen Erfordernis des § 5
Abs. 2 Satz 2
KSchG, da er die Tatsachen, die die nachträgliche Zulassung begründen, angibt und die Mittel für deren Glaubhaftmachung nennt.
Die Glaubhaftmachung selbst ist eine besondere Art der Beweisführung, die auch noch später erfolgen kann (
BAG 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 91, juris).
Die Klägerin hat angegeben, dass sie aufgrund ihrer psychischen Erkrankung - jedenfalls in der Zeit vom 12. Juni bis zum 25. Juli 2018 - nicht in der Lage gewesen ist, ihre Post zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn auf diese zu reagieren und hat zur Glaubhaftmachung auf die Berichte des Krankenhauses Z. G. H. auf ihre eidesstattliche Versicherung verwiesen.
b. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung ist auch begründet.
Das Arbeitsgericht hat zur Recht angenommen, dass die Klägerin glaubhaft gemacht hat, jedenfalls in der Zeit vom 12. Juni 2018 bis zum 25. Juli 2018 an der Erhebung der Kündigungsschutzklage aus psychischen Gründen gehindert gewesen zu sein.
Für eine Glaubhaftmachung kann sich der Antragsteller aller Beweismittel, einschließlich der Versicherung an Eides statt bedienen (§ 294
ZPO). Zudem ist - anders als in Konstellationen, in denen eine Partei den vollen Beweis für eine Behauptung zu erbringen hat - eine Glaubhaftmachung selbst bei Vorliegen vernünftiger Zweifel nicht ausgeschlossen. Zur Glaubhaftmachung genügt ein geringerer Grad der richterlichen Überzeugungsbildung. An Stelle des Vollbeweises tritt eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung. Die Behauptung ist schon dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. Das ist der Fall, wenn bei der umfassenden Würdigung der Umstände des jeweiligen Falles mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen (
vgl. BAG 7. November 2012 - 7 AZR 314/12 - Rn. 40; 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 - Rn. 101, juris; so auch Reichold in Thomas/Putzow, 38. Aufl. 2017, § 294
ZPO, Rn. 1).
Eine Erkrankung kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich rechtfertigen. Sie muss jedoch ursächlich dafür geworden sein, dass die Frist nicht eingehalten wurde. Die Erkrankung muss ihrer Art nach in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit der für die Fristeinhaltung verantwortlichen Person gehabt haben (
BAG 7. November 2012 - 7 AZR 314/12 - Rn. 39 zu einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233
ZPO, juris).
Dementsprechend rechtfertigt auch die Erkrankung eines Arbeitnehmers allein nicht ohne Weiteres die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Vielmehr muss sie den Arbeitnehmer tatsächlich an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert haben (
vgl. LAG Rheinland-Pfalz 1. März 2007 - 7 Ta 27/07 - Rn. 35, juris).
Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine physische oder psychische Erkrankung handelt. Es ist nicht von der Regel auszugehen, dass im Falle von psychischen Erkrankungen geringere Anforderungen zu stellen sind, weil diese Erkrankungen das Urteilsvermögen einschränken. Zu derartigen Einschränkungen kann es zwar kommen, ob sie tatsächlich gegeben sind, muss aber feststellbar sein. Zudem muss ersichtlich sein, während welcher Zeiten und in welchem Umfang es zu einer Einschränkung des Urteilsvermögens durch psychische Erkrankungen gekommen ist (
LAG Rheinland-Pfalz, 01. März 2007 - 7 Ta 27/07 - Rn. 37;
LAG Köln, 28. Dezember 2007 - 3 Ta 305/07 - Rn. 20, juris).
Das Arbeitsgericht geht zu Recht davon aus, dass unter Beachtung dieser Grundsätze eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Klägerin jedenfalls in der Zeit vom 12. Juni 2018 bis zum 25. Juli 2018 an der Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung mit Schreiben vom 12. Juni 2018 gehindert war.
Die Klägerin hat in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 07. August 2018 erklärt, dass sie seit Ende des Jahres 2017 unter einer psychischen Erkrankung leidet, sie es ihr seit diesem Zeitpunkt völlig unmöglich mache, ihrer alltäglichen Dinge des Lebens,
u. a. auch ihre Post, zu regeln. Sie sei seit dem 23. November 2017 bei Herr
Dr. P. F. in C-Stadt in Behandlung, von dem sie Überweisungen zu weiteren neurologisch-psychiatrischen Behandlungen erhalten habe. Sie sei 2017 in C-Stadt im Haus der Gesundheit bei Herrn
Dr. B. T. in Behandlung gewesen. Bisher habe sie abgelehnt, sich zusätzlich in fachpsychologische/fachpsychiatrische Behandlung zu begeben, was sie zwischenzeitlich akzeptiere. Bereits im Rahmen von zwei Vorstellungen im Krankenhaus Z. G. H. in C-Stadt im Dezember 2017 und im März 2018 sei ein behandlungsbedürftiges psychisches/psychiatrisches Erkrankungsbild festgestellt worden.
Ihr Vater habe die Kündigung erstmals am 25. Juni 2018 in ihrer Wohnung gefunden und sie am 26. oder 27. Juni 2018 telefonisch hierüber in Kenntnis gesetzt. Sodann habe er stellvertretend für sie ihre Gewerkschaft am 01. August 2018 kontaktiert, um die Angelegenheit zu regeln.
Die Angaben der Klägerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung stellen nachvollziehbar dar, dass sie bereits seit Ende 2017 über Monate hinweg bis einschließlich zum Zeitpunkt der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht in der Lage war, selbständig, aus eigenem Antrieb, auf die Kündigung vom 12.06.2018 zu reagieren, sondern ihr dies nur mit Hilfe ihres Vaters gelang, der die Gewerkschaft der Klägerin kontaktierte, so dass ihr gewerkschaftlicher Rechtsschutz zuteil wurde.
Die Behauptung der Klägerin, sie habe sich aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht um ihre Angelegenheit kümmern können, wird durch die von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste und Arztbriefe belegt.
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass es an einer ärztlichen Diagnose für den Zeitraum vom 12. Juni 2018 bis zum 25. Juli 2018 fehlt.
Jedoch wurde sowohl vor als auch nach diesem Zeitraum mit einer manischen schizoaffektiven Störung jeweils die gleiche psychische Erkrankung diagnostiziert.
In dem Arztbrief des Krankenhauses Z. G. H. vom 05. Dezember 2017 (
vgl. zum vollständigen Inhalt Bl. 54 f. d. A.) wird im Rahmen des psychopathologischen Befundes ausgeführt, dass Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassungsvermögen sehr reduziert sind und dass das Denken in formaler Hinsicht sehr beschleunigt, weitschweifig, inkohärent, vorbeiredend ist; darüber hinaus werden inhaltliche Denkstörungen in Form von Misstrauen, wahnhaftem Erleben, festgehalten.
In dem Arztbrief vom 23. März 2018 des Krankenhauses Z. G. H. (
vgl. zum vollständigen Inhalt Bl. 56 f. d. A.) wird im Rahmen des psychopathologischen Befundes ebenfalls festgestellt, dass Konzentration und Aufmerksamkeit reduziert sind, formal gedanklich beschleunigt, sprunghaft, vorbeiredend.
In dem Arztbrief von Frau
Dr. Z. vom 06. September 2018 (
vgl. Bl. 59 d. A.) ist im Rahmen des psychischen Befundes aufgeführt: Konzentration erschwert, Antrieb reduziert, psychomotorisch angespannt bis lebhaft, Stimmungslage wechselhaft, zum Teil gehoben dann wieder gedrückt, formales Denken weitschweifig zum Teil gelockert, inhaltlich Distanzierung zu wahnhaftem Erleben.
In dem Attest vom 01. Oktober 2018 (Bl. 61 d. A.) hat Frau
Dr. Z. erklärt, dass diagnostisch eine schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv, vorliege, der eine über Wochen und Monate anhaltende schizomanische Störung vorausgegangen sei. Bezugnehmend auf die Arztbriefe des Krankenhauses Z. G. H. vom 05. Dezember 2017 und 23. März 2018 geht Frau
Dr. Z. "aus psychiatrischer Sicht" davon aus, dass die Klägerin noch vor der ersten Vorstellung am 06. September 2018 bei ihr durchgehend über Monate psychotisch war.
Der Hausarzt
Dr. N. F. hat der Klägerin in dem ärztlichen Attest vom 07. September 2018 (Bl. 52 d. A.) bescheinigt, dass bei ihr jetzt definitiv von neurologisch-psychiatrischer Seite eine schizoaffektive Psychose diagnostiziert worden sei, die rückblickend wahrscheinlich schon mehrere Monate bestehe, so dass die Zeit von März bis Juli 2018 mit der entsprechenden Symptomatik ebenfalls auf diese Diagnose zurückzuführen sein dürfte.
Sowohl die Arztbriefe vom 05. Dezember 2017 als auch vom 23. März 2018 und das Attest vom 06. September 2018 bescheinigen als Diagnosen eine manische schizoaffektive Störung (F25.0) und sind von Fachärzten des Bereichs Psychiatrie ausgestellt. Das Attest vom 06. September 2018 stellt darüber hinaus eine gesicherte schizoaffektive Psychose (F25.9) fest. Erst in dem Attest vom 01. Oktober 2018 ändert sich die Diagnose von einer manischen in eine gegenwärtig depressive (F 25.1), schizoaffektive Störung.
Daher begründen die ärztlichen Atteste und Berichte eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin durchgehend in dem Zeitraum von Dezember 2017 bis Dezember 2018 an einer manischen schizoaffektiven Störung litt.
Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, dass die diagnostizierte Störung schon per Definition episodenhaft auftauche, ist dem entgegenzuhalten, dass es sich bei einer Episode nicht um einen bestimmten, festgelegten Zeitraum handelt, sondern diese sowohl eine kürzere als auch eine längere Zeitspanne darstellen kann.
Zwar mag die von dem Allgemeinmediziner
Dr. P. F. in dem ärztlichen Attest vom 07. September 2018 im Konjunktiv aufgestellte These, dass diese Erkrankung rückblickend wahrscheinlich schon mehrere Monate, so auch in der Zeit von März bis Juli 2018, bestand, noch als bloße Vermutung betrachtet werden.
Anders verhält sich dies jedoch mit der fachärztlichen Beurteilung von Frau
Dr. Z. in dem Attest vom 01. Oktober 2018, wonach aus psychiatrischer, also fachärztlicher Sicht, davon auszugehen sei, dass die Klägerin noch vor der ersten Vorstellung am 06. September 2018 durchgehend über Monate psychotisch war.
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich hierbei nicht um eine mit dem Fall des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in dem Beschluss vom 01. März 2007 (7 Ta 27/07) vergleichbare, rückschauende Diagnose, da die Feststellung von Frau
Dr. Z. auf den ihr vorliegenden Arztbriefen des Krankenhauses Z. G. H. vom 05. Dezember 2017 und 23. März 2018 sowie ihrer eigenen Wahrnehmung beruht.
In dem Fall, der dem Beschluss vom 01. März 2017 zugrunde liegt, war der Arbeitnehmer erst nach der Kündigung in ärztlicher Behandlung und die Ärztin hatte einen Rückschluss auf der Grundlage der von dem Arbeitnehmer selbst geschilderten Krankheitssymptome gezogen, ohne überprüfen zu können, ob diese Symptome tatsächlich gegeben waren. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in dem Verfahren 7 Ta 27/07 zutreffend festgestellt, dass eine rückschauende Diagnose auf dieser Grundlage nicht mit jener Sicherheit möglich erscheint, die für die Zulassung einer versäumten Kündigungsschutzklage erforderlich ist. Im vorliegenden Fall hat die Fachärztin
Dr. Z. ihrer Beurteilung jedoch nicht lediglich die Angaben der Klägerin zu Grunde gelegt, sondern die fachärztlichen Feststellungen des Krankenhauses Z. G. H..
Soweit die Beklagte rügt, die Ärzte
Dr. F. und
Dr. T., bei denen sich die Klägerin im Jahr 2018 vor Zugang der Kündigung in Behandlung befand, hätten eine schwere Erkrankung der Klägerin doch erkennen und eine stationäre Behandlung zu deren Schutz und zum Schutz ihres Sohnes veranlassen müssen, ist dem entgegenzuhalten, dass in den Arztbriefen vom 05. Dezember 2017, vom 23. März 2018 und vom 06. September 2018 im Rahmen des psychopathologischen Befundes festgestellt wird, dass keine Suizidalität
bzw. keine akute Eigen- oder Fremdgefährdung vorliege. Darüber hinaus wird in den Arztbriefen vom 05. Dezember 2017 und 23. März 2018 bemerkt, dass die Klägerin kaum krankheitseinsichtig sei
bzw. eine weitere Behandlung ablehnte. Dies deckt sich mit den Angaben der Klägerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung, wonach sie erst ab diesem Zeitpunkt akzeptierte, dass sie sich in fachpsychologische
bzw. fachpsychiatrische Behandlung begeben müsse.
Der Rüge der Beklagten, sie sei offensichtlich in der Lage gewesen, als alleinerziehende Mutter die Angelegenheiten ihres Sohnes zu regeln, ohne dass Dritte, etwa der Kindsvater, die diesbezüglich sehr engagierten Eltern der Klägerin oder gar Behörden, Einwendungen erhoben hätten, hat die Klägerin nachvollziehbar entgegengesetzt, dass sich ihr Lebensgefährte seit ihrer Erkrankung um ihren Sohn gekümmert habe, insbesondere ihn in die Ganztagsbetreuung des Kindergartens gebracht habe und den Einkauf von Lebensmitteln für sie und ihren Sohn übernommen habe. Die Eltern der Klägerin hatten nach der eidesstattlichen Versicherung der Klägerin in den Monaten vor dem Besuch ihres Vaters am 25. Juli 2019 gar keinen Kontakt mehr zu ihr, da sie mit diesen gebrochen hatte. Der Kindsvater ist nicht in der Lage, sich um den gemeinsamen Sohn zu kümmern.
Aus der Tatsache, dass es der alleinerziehenden Klägerin trotz ihrer Erkrankung irgendwie gelungen ist, sich um ihren Sohn zu kümmern, kann daher nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Erkrankung sie nicht daran gehindert habe, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln.
Für die Verhinderung spricht auch die von der Klägerin an Eides statt versicherte und von der Beklagten nicht bestrittene Tatsache, dass der Vater der Klägerin diese am 25. Juli 2018 abgemagert antraf und feststellen musste, dass sie ihre schmutzige Wäsche nicht gewaschen hatte und er darüber hinaus einen Stapel mit ungeöffneter Post vorfand. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann hier nicht von lediglich unterschiedlichen Auffassungen über Ordnung und Sauberkeit im Verhältnis von Vater und Tochter die Rede sein. Zudem können die Wahrnehmungen des Vaters nicht dadurch an Gewicht verlieren, dass - so die Beklagte - nicht auszuschließen sei, dass hier die Zuneigung zu der Tochter den Blick auf die Situation etwas verstellt habe, da konkrete Tatsachen, nämlich der Gewichtsverlust der Klägerin, die ungewöhnliche Menge an Schmutzwäsche und der Stapel ungeöffneter Post, angeführt werden und nicht etwa allgemeine Bewertungen der Situation wie beispielsweise, dass die Wohnung "unordentlich" gewesen wäre.
Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass der Besuch des Vaters am 25. Juli 2018 erst
ca. 3 Wochen nach Ablaufen der Klagefrist erfolgte. Der Zustand der Klägerin und die Stapel an Schmutzwäsche und ungeöffneter Post lassen jedoch auf einen zumindest mehrere Wochen andauernden Zustand schließen.
Hinzu kommt die zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts, dass die Klägerin in der Zeit bis zum 04. Mai 2016 regelmäßig ihren Hausarzt
Dr. F. aufsuchte, am 30. Mai 2018 noch bei Herrn A. sowie am 01. Juni 2018 bei Herrn
Dr. T. in Behandlung war und im Anschluss hieran ohne erkennbaren Grund keine ärztliche Hilfe mehr in Anspruch nahm, sondern erst nach dem Besuch ihres Vaters am 02. August 2018 ihren Hauarzt
Dr. F. aufsuchte. Dementsprechend hat die Klägerin in der Zeit vom 12. Juni 2018 bis 25. Juli 2018 ihre Arbeitsunfähigkeit auch überhaupt nicht mehr angezeigt und gar keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr vorgelegt, während sie dies bis zum 01. Juni 2018 immer wieder, wenn auch verspätet, getan hatte.
Die Beklagten vermutet, dies müsse daran liegen, dass die Klägerin die Kündigung vom 12. Juni 2018 doch vor dem Besuch ihres Vaters zur Kenntnis genommen und daher keine Veranlassung mehr gesehen habe, einer zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestehenden Pflicht nachzukommen. Dagegen spricht jedoch, dass die letzte vorliegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur den Zeitraum bis einschließlich 01. Juni 2018 umfasst. Die Klägerin hat somit bereits ab dem 02. Juni 2018 - also vor der Kündigung - keine Bescheinigungen mehr vorgelegt, weshalb die Beklagte sich sodann entschloss, das Kündigungsverfahren einzuleiten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Kündigung vor dem Auffinden durch ihren Vater zur Kenntnis genommen und sich gegen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage entschieden hat.
Aus diesen Gründen ist - jedenfalls mit der für die Glaubhaftmachung ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit - davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Erkrankung in dem maßgeblichen Zeitraum vom 12. Juni 2018 bis zum 25. Juli 2018 nicht in der Lage war, das Kündigungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen und hierauf zu reagieren.
Daher ist die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein, durch das die Kündigungsschutzklage der Klägerin nachträglich zugelassen ist, als unbegründet zurückzuweisen.
B. Die Kostenentscheidung betreffend die erfolglose Berufung der Beklagten folgt aus § 97
Abs. 1
ZPO. Im Hinblick auf das erstinstanzliche Verfahren bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.
C. Mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes im Sinne des § 72
Abs. 2
ArbGG ist die Revision nicht zuzulassen.