Partizipative Forschung
Bei der partizipativen Forschung werden Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen direkt als Forschungspartnerinnen und -partner, auch Co-Forschende genannt, partnerschaftlich in den Forschungsprozess mit einbezogen. Sie sind also nicht nur betroffene Teilnehmende einer Forschung, sondern arbeiten je nach Fähigkeit und Ressourcen gemeinsam mit den Forschenden in Forschungsprojekten im Bereich der Gesundheits-, Rehabilitations- und Teilhabeforschung mit.
Forschungsbedarf, Forschungsfrage sowie die Umsetzung und Auswertung des Forschungsprojektes können gemeinsam erarbeitet werden, um die praktische Relevanz der Forschung zu steigern und die Selbstbestimmung der Co-Forschenden zu stärken. Die Lebenssituation und deren Strukturen können besser abgebildet und verstanden werden. Ganz nach dem Motto: „Nichts über uns ohne uns“.
Was sind Ziele der partizipativen Forschung?
Partizipative Forschung ist Forschung auf Augenhöhe, Menschen mit Behinderungen treten für sich selbst ein. Die Lücke zwischen Forschung und Praxis wird verringert und die Ergebnisse werden laienverständlicher. Die partizipative Forschung ermöglicht eine Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe, wodurch die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen gestärkt wird.
Partizipation bedeutet Mitbestimmung und Teilhabe. Menschen mit Behinderungen beteiligen sich aktiv in Entscheidungsprozessen und nehmen Einfluss auf das Ergebnis. Sie gestalten ihre Lebenssituation selbst.
Wie können Menschen mit Behinderungen im Forschungsprozess einbezogen werden?
Die partizipative Forschung ist ein wissenschaftlicher Ansatz. Dabei wird Partizipation als Haltung verstanden, bei der die Rollenverteilung der Forschenden und Co-Forschenden regelmäßig reflektiert wird. Je nach Fähigkeit können die Co-Forschenden in allen Phasen des Forschungsprojektes mitarbeiten und mitentscheiden. Wie stark und in welchen Phasen die Co-Forschenden einbezogen werden, kann gemeinsam entschieden werden. Hierbei sind die Ressourcen und Fähigkeiten der Co-Forschenden zu berücksichtigen. Eine gute Vorbereitung auf die gemeinsame Forschung ist für Co-Forschende und Forschende das A und O.
Wright, Block und Unger (2010)¹ haben ein Stufenmodell zur Partizipation aufgestellt, das einen Anhaltspunkt geben kann. Die verschiedenen Stufen geben über die Beteiligung der Co-Forschenden in Forschungsprojekten Auskunft.
Farin-Glattacker, Kirschnig, Meyer und Buschmann-Steinhage (2014)² haben eine Matrix über die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in den einzelnen Schritten im Forschungsprojekt erstellt. Sie geben Beispiele, wie die Einbeziehung konkret aussehen könnte.
¹ Farin-Glattacker, E.; Kirschnig, S.; Meyer, T.; Buschmann-Steinhage, R. (2014): Partizipation an der Forschung – eine Matrix zur Orientierung.
² Wright, M.; Block, M.; von Unger, H. (2010): Stufen der Partizipation. In: Hartung, S.; Wihofszky, P.; Wright, M. (2020): Partizipative Forschung. Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden.
Partizipative Zusammenarbeit nach Farin-Glattacker et al.
Eine partizipative Zusammenarbeit sieht laut Farin-Glattacker et al. (2014) idealerweise so aus:
- Forschungsbedarf wird gleichberechtigt zwischen Co-Forschenden und Forschenden abgestimmt.
- Co-Forschende und Forschende planen die Forschung gemeinsam.
- Gutachterkreise sind gleichberechtigt mit Co-Forschenden und Forschenden besetzt.
- Co-Forschende haben eine gleichberechtigte oder auch eigenständige Rolle bei einzelnen Projektaufgaben (zum Beispiel Durchführung von Interviews, Interpretation von Aussagen).
- Forschende und Co-Forschende publizieren gemeinsam die Forschungsergebnisse.
Es gibt bereits einige partizipative Forschungsprojekte in der Rehabilitation und Teilhabe, bei der die aktive Einbeziehung der Co-Forschenden und die gewählte Forschungsmethode erfolgreich umgesetzt werden konnten.
Welche Forschungsmethoden eignen sich für die partizipative Forschung?
Die Forschungsmethoden sollten flexibel auf die Fähigkeiten und Ressourcen der Co-Forschenden ausgerichtet sein. Unter bestimmten Voraussetzungen können somit auch klassische Methoden wie Interviews oder Fragebögen Anwendung finden. Wichtig ist, im Verlauf immer wieder gemeinsam zu üben und zu überprüfen, ob die gewählte Methode die richtige ist oder eine andere Methode doch besser passt. Durch die partizipativen Ansätze kann eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis hergestellt werden. Die Lebenshilfe stellt in ihrem Buch „Gemeinsam Forschen“ verschiedene Methoden vor, die sich gut für die partizipative Forschung eignen.
Methoden der partizipativen Forschung
Folgende Methoden finden zum Beispiel in der partizipativen Forschung Anwendung:
- Photovoice (Teilnehmende beantworten Fragen der Forschenden über Fotos)
- Fokusgruppen (es werden zu Beginn der Forschung Anregungen gesammelt)
- SIM-Methode (viele Meinungen zu einem Thema werden gesammelt)
- Interview (Informationen über eine Befragung werden gesammelt)
Weitere Informationen
Partizipative Forschung findet immer mehr Anerkennung und Unterstützung. Es setzen sich zunehmend mehr Initiativen und Netzwerke für partizipative Forschung ein. Kontaktnetzwerke, Organisationen der Selbsthilfe oder soziale Medien können dabei helfen, Co-Forschende zu finden. Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen und sich auf das gemeinsame Projekt vorzubereiten.
Die Uniklinik Köln bietet eine tätigkeitsbegleitende, zertifizierte Weiterbildung „Partizipative Gesundheitsforschung (PGF)“ an. Sie richtet sich an Haupt- und ehrenamtliche Patientenvertretende, Praktikerinnen und Praktiker sowie Forschende. Das Netzwerk für Gesundheitsforschung PartNet, die Arbeitsgruppe Partizipative Versorgungsforschung des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung (DNVF) und die Arbeitsgruppe Partizipative Forschung und Forschungsmethoden des Aktionsbündnisses Teilhabeforschung befassen sich intensiv mit dem Thema und bieten weitere Informationen zur partizipativen Forschung.
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