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Urteil
Vorwegnahme der Hauptsache - Mangelnde Erfolgswahrscheinlichkeit - Antrag eines Schwerbehinderten auf Bewilligung von Heimarbeit

Gericht:

VG München 21. Kammer


Aktenzeichen:

M 21 E 08.5021 | 21 E 08.5021


Urteil vom:

19.01.2009


Grundlage:

  • VwGO § 123 Abs. 1 |
  • BBG § 54 S. 1 |
  • AZV § 3 Abs. 1 S. 2

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller steht nach seiner Überleitung in das Unternehmen Deutsche Bundespost Postdienst zum ... 1990 im Dienst der Antragsgegnerin. Er wurde zuletzt am 1. September 1996 zum ... befördert. Mit Wirkung zum 1. Januar 2002 wurde er unter Beibehaltung seines bisherigen Dienstortes ... an die Niederlassung Produktion ... versetzt.

Am 30. Mai 2008 beantragte der Antragsteller bei seiner Dienststelle die Bewilligung eines Heimarbeitsplatzes durch Verlegung seines Arbeitsplatzes beim Stab Produktionsunterstützung in ... an seinen aus dem Rubrum ersichtlichen Wohnort. Zur Begründung trugen er und später seine im Behördenverfahren bevollmächtigte Gewerkschaft vor, bei ihm seien am 19. Februar und 19. September 2007 zwei Tumoroperationen mit anschließender Strahlen- und Chemotherapie durchgeführt worden. Die Behandlung habe weitere Behinderungen wie eine Einschränkung der physischen Belastbarkeit, eingeschränkte Schulter-Arm-Beweglichkeit links, eingeschränkte linksseitige Kopfrotation, Mundtrockenheit mit Erschwerungen bei der Nahrungsaufnahme und bei der Mundhygiene, Schwellneigung der unteren linken Gesichtshälfte, Bluthochdruck und vermehrte Infektanfälligkeit nach sich gezogen. Neben der ärztlichen Behandlung müsse er zur Krankengymnastik, Ergotherapie und Lymphdrainage. Ferner müsse er mehrmals täglich Zwischenmahlzeiten einnehmen und sich häufig die Zähne reinigen. Um nach Auflösung der Niederlassung Landshut seinen Arbeitsplatz in ... zu erreichen, habe er bisher einen Arbeitsweg (einfach) von einer Stunde täglich und an seinem Arbeitsplatz ungünstige Umweltbedingungen wie Feinstaubbelastung durch Laserdrucker und Fotokopierer, Zugluft und Bürolärm eines Großraumbüros in Kauf genommen. Das der Antragsgegnerin hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung aufgrund des § 315 BGB eingeräumte Ermessen sei unter Berücksichtigung der Umstände, dass er bei einem Heimarbeitsplatz - anders als in der Dienststelle - auch am Wochenende auf die EDV zugreifen könne, er bereit sei, einen Tag pro Woche in der Dienststelle zu arbeiten und den Heimarbeitsplatz angesichts seiner Rehabilitationsprognose nur für eine befristete Zeit eingerichtet haben wolle, sowie unter Berücksichtung von § 81 Abs. 4, § 84 Abs. 2 SGB IX, der Regelungen in der Anweisung für die Ermittlung von personengebundenen Zeitzuschlägen (Anw pgZ) sowie der in Art. 33 Abs. 5 GG, § 79 BBG verankerten Fürsorgepflicht der Antragsgegnerin zu seinen Gunsten auszuüben. Die ihm bei einer vorausgegangenen Besprechung mit der Dienststellenleitung entgegengehaltenen Argumente, dass die Heimarbeit mit den betrieblichen Interessen nicht zu vereinbaren seien, weil er in diesem Fall nicht mehr ausreichend in die Bürokommunikation eingebunden sei, dass sein Arbeitsplatz nach den einschlägigen Dienstbestimmungen nicht für Heimarbeit vorgesehen sei, Bezugnahmen anderer Bediensteter vorzubeugen sei und sein Vorbringen, den Arbeitsweg nicht mehr bewältigen zu können, nicht in seinem Interesse liegen könne, weil es geeignet sei, seine Dienstunfähigkeit zu begründen, seien nicht stichhaltig. Insbesondere schaffe die Einräumung eines Heimarbeitsplatzes angesichts seiner besonderen gesundheitlichen Situation keinen Bezugsfall.

Zum Beleg seines Behinderungszustandes legte der Antragsteller zunächst einen (inzwischen überholten) Abhilfebescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region ... 2007 über die Zuerkennung eines GdB von 90 ab 18. September 2007 ohne Merkzeichen vor. Hierauf wird Bezug genommen.

Mit Bescheid vom ... 2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, grundsätzlich bestehe kein Rechtsanspruch auf Einräumung eines Heimarbeitsplatzes. Die somit zu treffende Ermessensentscheidung falle zu Ungunsten des Antragstellers aus, weil er, wenn er zuhause arbeiten würde, den geordneten Dienstbetrieb durch erhebliche Mehrbelastung von Vorgesetzten und Kollegen in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigen würde. So stünde er nicht oder nur unter unzumutbar schwierigen Bedingungen für die häufig erforderliche Bürokommunikation in der Dienststelle zur Verfügung. Für von ihm nach Hause mitgenommene Unterlagen gelte dasselbe. Eine Urlaubs- oder Krankheitsvertretung für ihn sei schwer einzurichten, umgekehrt stünde er für Stellvertretungen nicht zur Verfügung. Die Dienstaufsicht könnte nur schwer wahrgenommen werden. Er müsse daher auf die Inanspruchnahme von Erleichterungen zur Abmilderung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen innerhalb der Dienststelle verwiesen werden, zu deren Erbringung die Antragsgegnerin jederzeit bereit sei.

Hiergegen legte der Antragsteller am 21. Juli 2008 durch seine im Behördenverfahren Bevollmächtigten Widerspruch ein, den er u.a. damit begründete, dass er wegen seines Gesundheitszustandes und seiner langen krankheitsbedingten Abwesenheit künftig nicht mehr die Möglichkeit habe, als Mitglied seiner bisherigen Fahrgemeinschaft die Dienststelle innerhalb einer Stunde Fahrzeit zu erreichen. Dadurch erhöhe sich der Weg zur Arbeit auf 1,5 Stunden einfach und verteuere sich zugleich.

Am 13. Oktober 2008 beantragte der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte bei dem Verwaltungsgericht München nach § 123 VwGO sinngemäß,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm für die Dauer von zwei Jahren einen Heimarbeitsplatz einzurichten, hilfsweise, ihm für dieselbe Dauer einen Arbeitsplatz im Briefzentrum ... einzurichten.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt. Ergänzend wurde vorgetragen, die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Erschwernisse in der Bürokommunikation seien zur Bewältigung der Dienstaufgaben des Antragstellers im Bereich der Personalwirtschaft durch den Einsatz moderner Telekommunikationsmittel überwindbar. Dies habe sich auch während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit gezeigt. Hierzu erfolgten ins Einzelne gehende Ausführungen. Ferner trug er vor, dass er bei den seltenen strategischen Besprechungen er weiter die Dienststelle aufsuchen könne. Unproblematisch sei auch die Einrichtung einer schon immer mit minimaler Mehrbelastung des Stellvertreters gehandhabte Vertretungsregelung.

Zum Beleg der gesundheits- und behinderungsbedingten Einschränkungen des Antragstellers wurde ein Facharztbrief der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioökologie des Klinikums ... vom ... 2008 vorgelegt.

Die Antragsgegnerin beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Antrag sei unzulässig auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Der Antragsteller sei zwar aufgrund seiner Erkrankung schwerbehindert, jedoch habe er seit dem 15. September 2008 im Rahmen eines Wiedereingliederungsplans seine bisherige Tätigkeit als Sachbearbeiter im Stab Arbeitsvorbereitung am Standort der Niederlassung ... wiederaufnehmen können. Laut vorgelegter Stellungnahme der Postbetriebsärztin Dr. F. vom 4. September 2008 bestünden keine Bedenken gegen seinen Einsatz in seiner Dienststelle. Dorthin sei er von Landshut aus versetzt worden, woraus sich bereits ergebe, dass er seinen Dienst nicht an einem beliebigen anderen Ort ausüben könne. Das private Interesse des Antragstellers an der Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes, das auch von der Verschaffung von Vorteilen zur Bewältigung des Arbeitsweges beeinflusst sein könnte, sei gegenüber dem öffentlichen Interesse der Antragsgegnerin an der Dienstleistung in ... nachrangig. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass die Antragsgegnerin dem einen Zeitraum von fünf Monaten umfassenden Wiedereingliederungsplan vorbehaltlos zugestimmt habe, sie dem Antragsteller nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit ein Einzelbüro eingerichtet und ihm bei der Arbeitszeitgestaltung weitgehende Freiheit eingeräumt habe. Zudem sei ihm ein auch zuhause nutzbarer Notebook-Computer beschafft worden, was allerdings nur für den Fall seiner ausnahmsweise eintretenden dienstlichen Verhinderung gedacht gewesen sei. Wegen dieser nur eingeschränkten Heimarbeitserlaubnis, welche eine Global Access-Berechtigung nicht erforderlich erscheinen lasse, sei ihm auch eine solche nicht verschafft worden. Mit den aufgezählten Maßnahmen sei die Antragsgegnerin ihrer Fürsorgepflicht ausreichend gerecht geworden.

Hierauf entgegnete der Antragsteller, es habe sich erst nach Wiederaufnahme der Tätigkeit in der Dienststelle ... gezeigt, dass dieser Dienst für ihn mit zu großen Anstrengungen verbunden sei. Am 8. Dezember 2008 legte er einen Änderungsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region ... 2008 vor, wonach ihm seit 6. August 2008 wegen Erkrankung des Mundbodens in Heilungsbewährung, wiederkehrende Leukoplakie nach operativ behandelter Zungenerkrankung (Einzel-GdB von 80), Schwellneigung der unteren linken Gesichtshälfte, Mundtrockenheit, Tinnitus (Einzel-GdB von 30), Funktionsbehinderung des Schultergelenks links bei Lähmung des M. trapezius descendens, eingeschränkter linksseitiger Kopfrotation (Einzel-GdB von 30), seelischer Störung (Einzel-GdB von 20), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB von 10) und Nierenfunktionsbeeinträchtigung (Einzel-GdB von 10) ein GdB von 100 ohne Merkzeichen zuerkannt wurde. Die Nachprüfung des GdB nach Ablauf der Heilungsbewährung ist für September 2012 vorgesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).

Hinweis:

Einen Fachbeitrag zum Einstweiligen Rechtsschutz finden Sie im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) unter:
http://www.reha-recht.de/fileadmin/download/foren/a/2013/A4-...

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

II.

Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache (§ 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO) auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend (§ 123 Abs. 3 VwGO).

Indem § 123 Abs. 1 VwGO vorschreibt, dass das Gericht eine "einstweilige" Anordnung zur Regelung eines "vorläufigen" Zustands treffen kann, verbietet sich grundsätzlich eine Vorwegnahme der Hauptsache (Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, zu § 123, Rdnr. 66a). Daraus folgt, dass das Gericht dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren kann, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Das Gericht darf im Grundsatz nur die Lage offen halten, um zu vermeiden, dass das Recht bis zu einer Klärung im Hauptsacheprozess untergeht oder seine Durchsetzung wegen des Zeitablaufs mit wesentlichen Nachteilen verbunden ist (Happ, a.a.O.). Der Grundsatz, dass die Anordnung weder zugunsten noch zulasten eines Verfahrensbeteiligten die Schaffung vollendeter Tatsachen zulassen darf (Happ, a.a.O.), darf nur dann durchbrochen werden, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 123, Rdnr. 13 und 14).

Mit seinem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm für die Dauer von zwei Jahren einen Heimarbeitsplatz bzw. hilfsweise einen Arbeitsplatz in ... zu bewilligen, verlangt der Antragsteller der Sache nach, sofort so gestellt zu werden, als hätte er in der Hauptsache bereits obsiegt. Das Gericht könnte die begehrte einstweilige Anordnung somit nur unter den oben dargestellten einschränkenden Voraussetzungen erlassen, die es aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage jedoch insbesondere deshalb nicht als erfüllt ansieht, weil vorliegend kein sehr hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht.

Das Gericht ist vielmehr der Auffassung, dass der Antragsteller den erforderlichen Anordnungsanspruch im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht hat.

Nach § 2 Abs. 1 BBG besteht zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis, das u.a. nach § 54 Satz 1 BBG beinhaltet, dass sich der Beamte mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat. Zum Kreis der hierdurch umschriebenen Grundpflichten gehört als notwendiger Teil die Anwesenheit des Beamten an dem ihm zugewiesenen Arbeitsplatz während der für ihn festgesetzten Arbeitszeit. Der Beamte hat grundsätzlich der in zeitlicher und örtlicher Hinsicht konkretisierten Dienstleistungspflicht Rechnung zu tragen, indem er zu der vorgegebenen Zeit am Ort seiner dienstlichen Tätigkeit erscheint und verbleibt (Wiedow in Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, § 54 BBG, Rdnr. 7; Zängl in Fürst, GKÖD, § 54 BBG, Rdnr. 17; BVerwG vom 11.05.2000 - 1 DB 35.99 - BVerwGE 111, 153 = ZBR 2000, 345 = DÖD 2000, 294 = NVwZ-RR 2001, 251 = Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 16). Hiervon gehen auch die Bestimmungen der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (Arbeitszeitverordnung) aus, nach deren § 2 Nr. 4 der Arbeitsplatz grundsätzlich die Dienststelle oder ein von der oder dem Dienstvorgesetzten bestimmter Ort ist, an dem Dienst zu leisten ist. Rechtsvorschriften, die abweichend hiervon dem Beamten unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes (auch Telearbeitsplatz oder Home Office) einräumen, sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch für Schwerbehinderte, für die § 3 Abs. 1 Satz 2 Arbeitszeitverordnung lediglich auf Antrag eine Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden vorsieht.

Über den Ausnahmefall der Bewilligung von Heimarbeit für Beamte entscheidet daher der Leiter der jeweiligen Dienststelle aufgrund des ihm zukommenden Organisationsermessens (OVG Rheinland-Pfalz vom 29.07.2003 - 2 A 11099/03 - IÖD 2003, 230 = NVwZ-RR 2004, 50 = DÖD 2004, 103; ebenso OVG Berlin vom 22.06.1999 - 4 B 39.97 - juris). Bei der Ermessensausübung im Rahmen seiner Organisationsbefugnisse sind dem Dienstherrn grundsätzlich weite Grenzen gesetzt (BVerwG vom 22.05.1980 - 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144 = DVBl 1980, 882 = DÖD 1980, 203 = DÖV 1981, 98 = BayVBl 1981, 57 = ZBR 1981, 28 = NJW 1981, 67 = Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 20). Die Ausübung der Organisationsgewalt hat sich an dem Auftrag der Behörde zu orientieren. Dabei kommt den dienstlichen Interessen vorrangige Bedeutung zu (OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Dieser Vorrang ergibt sich u.a. aus der Entscheidung der Arbeitszeitverordnung, dass Dienst grundsätzlich in der Dienststelle zu verrichten ist (vgl. oben). Soll von der gesetzlichen Regelentscheidung abgewichen werden, müssen daher gewichtige Gründe vorliegen, um die Dienstleistung ausnahmsweise außerhalb der Dienststelle zu erbringen (OVG Berlin, a.a.O.).

Die im vorliegenden Fall von dem Leiter der Dienststelle des Antragstellers getroffene Entscheidung ist aufgrund der nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkten gerichtlichen Prüfung nicht zu beanstanden. Nach dieser Vorschrift prüfen die Gerichte nur, ob bei der Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Organisationsermessens überschritten sind oder von dem Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung Gebrauch gemacht worden ist. Das ist nicht der Fall.

Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass der von dem Antragsteller begehrten Bewilligung häuslicher Arbeit dienstliche und organisatorische Gründe entgegenstehen, indem der geordnete Dienstbetrieb durch erhebliche Mehrbelastung von Vorgesetzten und Kollegen in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt würde und seine mangelnde Verfügbarkeit am Arbeitsplatz für die erforderliche Bürokommunikation auch durch Einsatz moderner Telekommunikationstechnik nicht ausgeglichen werden könnte, nach Hause mitgenommene Unterlagen ebenfalls nicht dauernd zur Verfügung stünden, eine Urlaubs- oder Krankheitsvertretung für ihn schwer einzurichten wäre, er umgekehrt für Stellvertretungen nicht zur Verfügung stünde und die Dienstaufsicht nur schwer wahrgenommen werden könnte. Soweit der Antragsteller die von der Antragsgegnerin vorgebrachten Argumente größtenteils in ihrer Bedeutung herabzumindern versucht, ist ihm zum einen entgegenzuhalten, dass ihm zumindest in den Punkten der Ausübung der Dienstaufsicht über ihn und seiner Verfügbarkeit für Stellvertretungsaufgaben eine eigene Wertung nicht zusteht, zum andern vermag das Gericht aufgrund seiner eigenen verwaltungsorganisatorischen Sachkunde ohne weiteres die Feststellung zu treffen, dass telekommunikationstechnische Hilfsmittel grundsätzlich nicht geeignet sind, die persönliche Anwesenheit eines Beamten des gehobenen Dienstes in der Dienststelle gleichwertig zu kompensieren. Das Maß der barrierefreien Ansprechbarkeit eines mit einem anspruchsvolleren Amt betrauten Behördenmitarbeiters steht und fällt mit seiner persönlichen Anwesenheit in der Dienststelle und kann nicht gleichwertig durch eine Kombination aus persönlichen Sprechzeiten und dem Versprechen, darüber hinaus jederzeit im Privatbereich erreichbar zu sein, ersetzt werden, denn auch bei gegenteiligen Beteuerungen unterliegt der häusliche Bereich einer unsichtbaren Tabuisierung, die von anderen nur in Notfällen durchbrochen zu werden pflegt.

Die von dem Antragsteller vorgebrachten gegenläufigen Gründe sind nicht von ausreichendem Gewicht. Die für die begehrte Heimarbeitsbewilligung streitenden privaten Interessen des Antragstellers stellen sich - zumindest bei Berücksichtigung der von der Antragsgegnerin angebotenen Erleichterungen - als nicht in der Weise zwingend dar, dass sie sich gegen die von der Antragsgegnerin angeführten dienstlichen Belange durchsetzen könnten.

Soweit sich der Antragsteller insofern auf seinen vom Zentrum Bayern Familie und Soziales Region ... mit Bescheid vom ... 2008 festgestellten Behinderungszustand beruft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser im Wesentlichen auf dem mit einem Einzel-GdB von 80 führenden Behinderungsleiden der operativ behandelten Zungenerkrankung beruht, das sich derzeit im Stadium der Heilungsbewährung befindet. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales Region ... hat dazu im genannten Bescheid bereits ausgeführt, dass bei Gesundheitsstörungen, die zu Rezidiven neigen, z.B. bösartigen Geschwulstkrankheiten, der GdB während einer im einzelnen näher geregelten Bewährungszeit von hier fünf Jahren ab der Operation höher angesetzt wird, als es dem objektiven Beschwerdebild entspricht (vgl. Nr. 18 Abs. 7, Nr. 24 Abs. 3 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Teil 2 SGB IX, Ausgabe 2008, abrufbar unter www.bmas.de). Bei der zur Beurteilung der vorliegenden Frage demnach gebotenen Außerachtlassung dieses Effekts, die umso mehr deshalb gerechtfertigt ist, weil bei dem Antragsteller eine seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 20 gesondert anerkannt, also nicht in dem führenden Behinderungsleiden enthalten ist, stellt sich der Behinderungszustand so dar, dass die Schwellneigung der unteren linken Gesichtshälfte, Mundtrockenheit, Tinnitus mit dem Einzel-GdB von 30 sowie die Funktionsbehinderung des Schultergelenks links bei Lähmung des M. trapezius descendens und die eingeschränkte linksseitige Kopfrotation mit dem Einzel-GdB von 30 im Vordergrund stehen. Hierbei handelt es sich um Behinderungsleiden, welche zwar Einfluss auf die Dienstfähigkeit insgesamt haben mögen, aber einer Dienstleistung spezifisch am Dienstort als solche nicht entgegenstehen. Merkzeichen, die auf eine besondere Mobilitätseinschränkung hindeuten könnten, wurden bislang ebenfalls nicht zuerkannt. Die Richtigkeit dieser Wertung wird bestätigt durch die Stellungnahme der Postbetriebsärztin Dr. F. vom 4. September 2008, wonach keine Bedenken gegen den Einsatz des Antragstellers in seiner Dienststelle bestünden. Der Facharztbrief der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioökologie des Klinikums ... vom 5. August 2008 ändert an dieser Bewertung nichts. Hinsichtlich der Erschwernisse bei der Nahrungsaufnahme und der Mundhygiene erschließt sich dem Gericht nicht, weshalb diese einer dienstlichen Tätigkeit am Arbeitsplatz im Wege stehen sollen. Der Arztbrief überzeugt daher allenfalls hinsichtlich der postoperativen und postradiogenen Ermüdbarkeit des Antragstellers. Diese wird indessen durch die von der Antragsgegnerin angebotenen Erleichterungen bei der Gestaltung des Dienstes ausreichend dadurch kompensiert, dass sie dem einen Zeitraum von fünf Monaten umfassenden Wiedereingliederungsplan vorbehaltlos zugestimmt hat, dem Antragsteller ein Einzelbüro eingerichtet, ihm bei der Arbeitszeitgestaltung weitgehende Freiheit eingeräumt und ihm überdies durch Beschaffung eines auch zuhause nutzbaren Notebook-Computers häusliches Arbeiten ermöglicht hat. Insbesondere das Angebot, dass der Antragsteller ohne weiteres einzelne Heimarbeitstage praktizieren darf, führt dabei zu dem Schluss, dass das der Antragsgegnerin eingeräumte Organisationsermessen mit dem Verlangen, sich grundsätzlich am Dienstort verfügbar zu halten, im vorliegenden Fall nicht fehlerhaft ausgeübt wurde.

Soweit der Antragsteller dennoch kritisiert, dass ihm dies wegen der nicht eingeräumten Global Access-Berechtigung nicht hilfreich sei, berührt er mit diesem Vorbringen ein weiteres, von der Antragsgegnerin bisher nicht ins Treffen geführtes, der Heimarbeitsbewilligung entgegenwirkendes dienstliches Interesse. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei der Ermessensentscheidung über die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes die Dienststelle auch die Datensicherheit maßgeblich gewichten darf (VG Osnabrück vom 15.06.2004 - 1 A 80/04 - juris). Bei der hier strittigen Ausgestaltung der Zugangsberechtigung unterscheidet sich der häusliche Aufstellungsbereich nur noch durch den Übertragungsweg von dem am Arbeitsplatz in der Dienststelle. Der für die Teilnahmevoraussetzungen wesentliche Unterschied liegt im Einfluss der Dienststelle auf den Personenkreis, der - auch und gerade missbräuchlich - auf den Arbeitsplatzrechner rein tatsächlich zugreifen kann. Hier hat der Dienstherr bei Aufstellung im Dienstgebäude die Möglichkeit, den Publikumsverkehr zu beschränken sowie die Aufsicht und den Eingriff schutzbereiter anderer Mitarbeiter sicherzustellen. Im häuslichen Bereich ist er darauf angewiesen, dass die vom Beamten selbst vorgenommenen Sicherungen greifen (VG Osnabrück, a.a.O.). Diesen Gesichtspunkt könnte die Antragsgegnerin, soweit ihm Gewicht zukommt, im Hauptsacheverfahren nach § 114 Satz 2 VwGO noch nachtragen.

Den von dem Antragsteller weiters zitierten Rechtsgrundlagen (§ 81 Abs. 4, § 84 Abs. 2 SGB IX, Anw pgZ) lassen sich entgegen seiner Auffassung keine Erkenntnisse zur Lösung des vorliegenden Falles entnehmen. Die Antragsgegnerin kommt mit den von ihr zugesicherten Vergünstigungen auch ihrer nach § 79 Satz 1 BBG bestehenden Fürsorgepflicht ohne weiteres nach. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller grundsätzlich an der Vollbeschäftigung in seinem bisherigen Amt festhalten will. Eine Verwirklichung der Fürsorgepflicht durch eine grundlegende Umgestaltung des Amts wegen begrenzter Dienstfähigkeit (§ 42a BBG) strebt er nicht an.

Das Rechtsschutzbegehren hat auch im Hilfsantrag keinen Erfolg, weil die Frage, ob sich der Dienstort des Antragstellers zulässigerweise in ... oder nach seinem Hilfsbegehren in ... befindet, auf die Bewertung der einander gegenüberstehenden dienstlichen und privaten Interessen und damit auf die Rechtmäßigkeit der überprüften Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin keinen entscheidenden Einfluss hat. Der wesentliche Unterschied bestünde in einem dann kürzeren Arbeitsweg des Antragstellers und der die Antragsgegnerin dann treffenden Last, einen Büroarbeitsplatz an einem Ort einzurichten, wo er seit längerem nicht mehr gebraucht wird. Dem steht jedoch weiterhin das vorrangige Interesse der Antragsgegnerin an der Dienstausübung am Standort ... gegenüber, die bei der Prüfung des Hauptantrags für zumutbar erklärt wurde. Danach kommt dem für den Antragsteller streitenden privaten Interesse an einem kürzeren Arbeitsweg kein entscheidendes Gewicht zu.

Nach alledem geht das Gericht davon aus, dass sich der Antragsteller mit seinem Begehren im Hauptsacheverfahren nicht durchsetzen wird.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Referenznummer:

R/R5609


Informationsstand: 23.01.2013