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Episode 8 – Blind im Büro - Mein Alltag bei REHADAT

In der achten Episode von „Teilhabe & Inklusion“ spricht Rufus Witt über seinen persönlichen Arbeitsalltag als blinder Mitarbeiter des Projekts REHADAT. 

Rufus beschreibt seinen Arbeitsweg durch Köln und erklärt mit Hörbeispielen, wie er seinen Computer ohne Maus und Bildschirm nutzt. 

Episode 08

Blind im Büro - Mein Alltag bei REHADAT

Podcast: Episode 08

Trankskription

Gemeinsam Barrieren abbauen. Hallo und willkommen zur neuen Ausgabe von Teilhabe und Inklusion. Der REHADAT-Podcast. Mein Name ist Rufus Witt und ich spreche mit Betroffenen, Beratungsstellen und Arbeitgebenden über die Barrieren des täglichen Lebens.

Hallo und willkommen zu einer neuen Folge von Teilhabe und Inklusion, dem REHADAT-Podcast heute zum Thema Arbeitsalltag von blinden Menschen. Ich darf heute ein bisschen aus der Rolle des Moderators heraustreten. Heute haben wir keine Interviewgäste, keine Talkrunde, sondern es geht um mich, denn ich selber bin geburtsblind, arbeite jetzt schon seit über 17 Jahren hier bei REHADAT als Sachbearbeiter und da liegt die Idee nahe, dass man doch mal eine Folge darüber machen könnte, wie mein Arbeitsalltag so hier verläuft.

In der allerersten Episode unseres Podcasts haben wir uns ja schon mal vor Jahren mit dem Thema barrierefreie Arbeitsumgebung beschäftigt. Was brauchen Menschen mit Behinderung, damit sie ihre Arbeit gut nachgehen können ohne Barrieren möglichst? Oder welche Unterstützung brauchen Sie, falls es Barrieren gibt? Und wir dachten uns, das könnte man jetzt einfach mal ein bisschen praktisch werden lassen, indem ich ganz konkret meinen persönlichen Arbeitsalltag beschreibe.

Ja, und das fängt ja schon am Morgen eines Arbeitstages an: dann ist die Mobilität, der Weg zur Arbeit, ja schon mal ein entscheidender Faktor, der gelingen muss.

Ich wohne in Köln und der Arbeitsplatz liegt auch in Köln. Insofern ist mein Arbeitsweg zum einen nicht sehr weit und da ich auch im Stadtgebiet wohne, muss ich mit dem ÖPNV keine riesigen Entfernungen zurücklegen und brauche ungefähr von Haus zu Haus, von Tür zu Tür eine Stunde.

Oft höre ich Geschichten von anderen blinden Menschen, die sehr, sehr weit und sehr komplizierte Arbeitswege zurücklegen müssen. Mit sechsspurigen Ampeln, wo vielleicht auf dieser sechsspurigen Überquerung keine Blindenampel da ist oder sehr breite Fußwege, Bürgersteige, wo links kein Kantstein mit der Stockspitze zu spüren ist - wir brauchen einen weißen Langstock, immer zum Ertasten, sonst kommen wir als blinde Menschen gar nicht rausgehen. -  Auf der rechten Seite vielleicht keine Häuserwand, keinen Busch, keine Hecke, keinen Zaun, nichts.

Und da habe ich aus welchen Gründen auch immer einfach Glück mit meinem sehr, sehr einfachen Arbeitsweg. Ich gehe aus dem Haus raus, habe vor mir eine Straße, die nicht sehr stark befahren ist. Das verleitet mich immer dazu, sie einfach zu überqueren, ohne Zebrastreifen, weil auch ein Blinder seine Bequemlichkeiten hat. Und ich bin einfach zu bequem, um extra zum Zebrastreifen vorbeizulaufen. Dann drehe ich mich nach links auf der anderen Straßenseite angekommen, laufe ein paar Meter und stoße dann mit meiner Stockspitze gegen das Bushäuschen der Bushaltestelle und höre natürlich auch akustisch, dass sich der Schall verändert hat, dass so ein Häuschen halt ja auch so ein bisschen. Dann weiß ich, ich bin richtig.

Noch ein kleiner Vorteil an dieser Haltestelle: es hält nur eine Buslinie. Ich muss also nie Angst haben, in den falschen Bus zu steigen und muss beim Einsteigen auch niemanden fragen, ob das der richtige Bus sein könnte. Bei der Umstieg-Haltestelle, wo ich in den nächsten Bus wechseln muss (am Chlodwigplatz) ist es schon ein bisschen interessanter. Da halten nämlich mehrere Buslinien, aber zum Glück alle in der gleichen Haltebucht.

Übrigens gibt es auch einen sehr praktischen Aufmerksamkeitsstreifen, genau am Kantstein, am Bordstein des Fußweg, der mir anzeigt, wie lang die Haltestelle ist, weil die Haltestelle natürlich immer länger ist als das Bushäuschen. Und es ist einfach wichtig zu wissen, wo stellt man sich hin, wenn man nicht gerade in der Nähe des Häuschens stehen möchte als Blinder? Wo kann man noch richtig stehen, damit der Busfahrer ihn auch wirklich sieht? Oder damit ich weiß, wo ich stehen muss, um den Bus noch erwischen zu können?

Ja, und jetzt die Frage Wie erkenne ich hier die richtige Buslinie? Es gibt eine Infosäule. Inzwischen weiß ich ja, wo diese Säule liegt, weil ich sie jeden Morgen nutze. Ich taste mich also mit meinem Stock dann in diese Richtung, höre aber auch noch einen zusätzlichen Ton - so ein Ticken Das Geräusch, das Ticke, zeigt an „Oh gut, ich komme mir mit der Infosäule näher“. Ich muss darauf achten. Je näher das Ticken kommt, desto richtiger bin ich auf meinem Kurs. Diese Infosäule mit dem Display, wo Sehende dann lesen können, welche Busse kommen. Die ist für mich so wichtig, weil es dort noch einen Knopf gibt und wenn ich den drücke, werden mir die Linien vorgelesen, angesagt per digitaler Sprachausgabe.

Es kann natürlich mal vorkommen, dass diese Ansagen nicht stimmen. Für den Fall oder auch falls mehrere Busse hintereinander halten und ich ja nicht weiß, wer ist jetzt vorne, welcher ist hinten, welcher ist der Richtige? Dann würde ich beim Einsteigen natürlich immer noch mal einen Passanten oder einfach den Busfahrer fragen oder die Fahrerin. Übrigens erlebt man hier als Blinde ab und zu auch mal, dass selbst diese Frage nichts nützt.

Ich habe auch schon sowohl von Busfahrern als auch von Passanten falsche Antworten bekommen. Sie wussten also in dem Moment selber nicht, in welchem Bus sie sitzen oder haben nicht daran gedacht, warum auch immer. Es waren die falschen Antworten. Ich saß dann im falschen Bus, habe das zu spät gemerkt. Klären kann man solche Absurditäten irgendwie nicht richtig.

Übrigens hat man ja auch ähnliche Probleme, wenn die Ansage im Bus nicht funktioniert. Früher war das noch das Normale: Der Fahrer / die Fahrerin sagt die Stationen an. Das gibt es ja inzwischen nicht mehr und nicht jeder Busfahrer bemerkt es, wenn die digitale Ansage mal ausfällt. Ich kann dann versuchen, nach vorne zu gehen und zu fragen. Oder ich achte bei der Linie, die ich kenne, einfach darauf, wie der Bus fährt.

Aber wenn die Ansagen dauerhaft funktionieren würden, wäre es natürlich noch schöner. Dann komme ich irgendwann bei der Endhaltestelle an, steige aus und habe schon wieder das Glück, einen einfachen Weg bis zum Büro zu haben. Geradeaus einmal links abbiegen, zwei Querstraßen überqueren, die auch wieder überhaupt nicht stark befahren sind. Und schon bin ich am Hintereingang gelandet.

Ich muss mit einer Chipkarte die Eingangstür öffnen. Der Sensor ist irgendwo in einer ganz großen, breiten Wand untergebracht. In dem Punkt, wenn so eine Minibarriere da ist. Da gilt einfach Learning-by-doing. Ich habe irgendwann den Dreh rausgehabt, wohin genau ich die Karte halten muss, damit sich die Tür öffnet. Was auch natürlich für mich wichtig ist: Ich höre quittierende, wie soll man sagen, mir Feedback gebende Geräusche, die mir anzeigen, dass ich die Tür öffnen darf.

Ich höre einen Piepton und dann auch das Geräusch des elektrischen Türschlosses oder -öffners, das dann aufgeht. Und ich weiß, wenn dieses Geräusch ertönt, macht es Sinn, wenn ich dann am Türgriff ziehe, dann geht die Tür auch wirklich auf. Weiter geht es dann mit dem Fahrstuhl. Erst mal ist es gut, dass er grundsätzlich keinen Touchscreen hat, sonst wäre ich wirklich verloren.

Insofern bin ich sehr dankbar, dass es einen tastbaren Knopf gibt, mit dem ich den Fahrstuhl rufen kann, holen kann. Ich bin auch ganz dankbar, dass ich im Fahrstuhl selber die Knöpfe nicht abzählen muss fürs richtige Stockwerk- wo die Knöpfe, die ich brauchen, auch liegen, das ist ja auch so eine Learning-by-doing Sache - aber sie sind auch beschriftet mit erhabenen Zahlen, also mit haptisch tastbarem Reliefzahlen. Für mich nicht so schlimm, weil ich glücklicherweise mal während meiner Kindheit gelernt habe, wie die Zahlen in der Schrift der Sehenden, wie diese Zahlen geformt sind. Ich bin außerdem dankbar dafür, dass der Fahrstuhl sprechen kann und ich dann höre, wenn ich im zweiten Stock angekommen bin.

Dann zähle ich der Einfachheit halber, wenn ich auf dem Weg zu meinem Büro bin, die Türen ab, weiß auch, wo ich noch mal in einen anderen Gang abbiegen muss, und kann mich dann ein bisschen kurz mal ausruhen, wenn ich weiß, ich habe es mal wieder geschafft, im Büro anzukommen, ohne große Hindernisse und Probleme und möchte gern meinen Rechner hochfahren.

Als Blinde können wir froh sein, wenn ein Rechner noch Geräusche macht. Also wenn sie in einem typischen Windows-Notebook oder Computer noch Lüfter befinden. Denn viele Smartphones und Tablets haben das ja schon gar nicht mehr. Und dann weiß man nie genau „Fährt jetzt dieses das Gerät wirklich hoch?“ „Klappt es mit dem Start?“ Ja, das erste wirklich hilfreiche Feedback kommt dann, wenn der Rechner komplett hochgefahren ist.

Dann startet nämlich das Allerwichtigste, was wir als Blinde brauchen: Die Brücken-Software, der sogenannte Screenreader. Und der Screenreader macht jetzt zwei Dinge: Zum einen höre ich über die Sprachausgabe, dass ich mich jetzt in der Anmeldemaske befinde [man hört den Screenreader: „Rufus Witt, Eingabefeld für Passwörter“] und dann gehört zu jedem guten Blindenarbeitsplatz auch noch als zweites wichtiges Hilfsmittel: die sogenannte Braillezeile.

Die Braillezeile heißt deshalb Braillezeile oder Brailledisplay, weil der Erfinder der Blindenschrift ein Franzose war, und der hieß Louis Braille. Der Name sagt es schon: in der Braillezeile sind ganz kleine Stiftchen eingebaut auf einer Leiste, und diese Stifte zeigen mir dann in Blindenschrift an, was gerade auf dem Bildschirm zu sehen ist. Ich bekomme also auf zwei Wegen, auf zwei Kanälen angezeigt, dass ich mich in der Anmeldemaske befinde.

Jetzt ist noch wichtig zu wissen, dass Blinde nie mit der Maus arbeiten. Es gibt keine Möglichkeit oder jedenfalls nicht mal eben so eine ganz einfache Möglichkeit, mir anzeigen zu lassen, wo der Mauszeiger ist auf dem Bildschirm, was ich machen könnte, was passieren würde, wenn ich jetzt irgendwas auslöse, einen Mausklick. Deshalb gilt als Faustregel: alle Programme, die von Dritten genutzt werden, müssen immer komplett tastaturbedienbar sein.

Man braucht zwingend für alles die Tastatur zur Steuerung. Damit man sich orientieren kann, gibt es vier, na sagen wir mal 5 bis 6 wichtige Tasten. Zum einen die Tabtaste, die Tabulator Taste. Die ist sehr wichtig, damit ich verschiedene Eingabefelder oder verschiedene Seitenbereiche eines Fensters springen kann. Wenn ich zu weit gesprungen und zurück möchte, ist dann auch noch diese Großschreibtaste, die Shift Taste, wichtig, damit ich dann mit Shift wieder zurück komme.

Die anderen wichtigen vier Tasten sind die Pfeiltasten. Auch die brauche ich sehr oft zur Orientierung, um den Bildschirm zu erkunden. Die Anmeldemaske ist jetzt so einfach gestaltet, dass hier die Tabtaste fürs Erste ausreicht. Wichtig ist es auch, wenn ich meinen Nutzernamen oder Passwort eingebe, dass ich dann auch natürlich eine Rückmeldung bekommen kann für Passwörter.

[man hört den Screenreader: „Stern, Stern, Stern“]. Ich weiß nicht, wie das Sehende Menschen machen würden nach Eingabe eines Passworts. Ob man dann die Maus nutzt? Ich natürlich weiß, ich kann einfach die Returntaste zum Abschicken nutzen wie für viele andere Funktionen ja auch. Dann bin ich erfolgreich angemeldet und der Rechner sagt mir sofort an, dass ich mich jetzt auf dem Desktop befinde [man hört den Screenreader: „Desktop Listenansicht, Microsoft Outlook aktiviert, 11 von 48“].

So, ich bin also auf dem Desktop und jetzt ist die Frage was geht denn so für Blinde? Welche Programme? Wie komme ich da jetzt weiter, um die ganzen Objekte auf dem Desktop anzuklicken? Mit der Returntaste wäre natürlich naheliegend, man benutzt die Pfeiltasten. Mit denen kann man dann in dem Fall nicht nur nach und nach umgehen, weil es nicht, weil es sich nicht nur um eine Liste handelt, sondern auch nach links und nach rechts.

Dann wander ich jetzt mal so ein bisschen [man hört den Screenreader: „Microsoft OneNote aktiviert 10 von 48“] das war jetzt hoch runter, jetzt wandere ich nach links, nach rechts [man hört den Screenreader: „Klammer auf-zu Verknüpfung aktiviert“] anders wäre es im Startmenü. Obwohl ich glaube, inzwischen kann man da auch in mehrere Richtungen navigieren. Aber in so einem typischen, einer typischen Ordnerhierarchie, wo Dateien liegen oder was auch immer in diesen Ordnern, da geht natürlich nur geht es natürlich nur mit den Pfeiltasten von oben nach unten, weil das als Listenansicht vorliegt. Was mir im Desktop oder im Startmenü oder anderen Ordnern immer hilft, sind die Buchstaben Tastatur oder auch die Zahlen.

Denn wenn ich den Anfangsbuchstaben kenne von den ganzen Dateien oder Objekten, dann weiß ich ja, wie sinnvoll es ist, ein „C“ einzugeben oder ein „G“ um nach Chrome bzw. dem Browser Google Chrome zu suchen, je nachdem wir wie die Verknüpfung beschriftet ist. Wenn man sich das vorstellt, alle typischen Officeanwendungen werden unter „M“ wie Microsoft angelegt. Weiß ich genauso: „Ich muss jetzt das „M“ mehrmals drücken, weil ich nicht zu Microsoft Edge möchte, sondern zum Microsoft Outlook“ [man hört den Screenreader: „Microsoft Access aktiviert. Microsoft 2015 aktiviert, Microsoft Word aktiviert, Microsoft Excel aktiviert, Microsoft OneNote aktiviert, Microsoft Outlook aktiviert. 11 von 48“]. Ja, bleiben wir auch bei diesem Beispiel. Ich mache dann Outlook auf. Outlook ist so ein klassisches Beispiel dafür, dass bei diesen Officeanwendungen - gerade bei so einem Programm wie Outlook finde ich von Anfang an die Barrierefreiheit oder die Zugänglichkeit eigentlich mitgedacht wurde und auch in der Weiterentwicklung man immer auch bis heute darauf geachtet hat, dass das auch so bleibt.

Für mich als erfahrener Anwender es sind diese typischen Fenster, einfach intuitiv bedienbar. Ich weiß, ich lande im Posteingang, kann Pfeil runter, Pfeil hoch die ganzen Mails durchgehen, bekomme auch vom Screenreader angesagt, welche Mails ungelesen ist und welche schon gelesen ist. Wenn ich nur einfach wieder rauf gehe  [man hört den Screenreader: „ungelesen, REHADAT-Seminar-Anmeldung, Anmeldung zum Seminar ‚Wie informiere ich mich über berufliche Teilhabe?‘ 6. Juni 2025“]

Was auch noch mal als Sehender zu verstehen wichtig ist: Ein Sehender ist in einer Anwendung oder auf dem Desktop - wo auch immer - und muss natürlich auch scrollen mit der Maus, das ist mir klar. Man kann nicht immer den ganzen Bildschirm auf einmal erblicken.

Man kann als sehender Mensch aber schnell von einem Bereich zum anderen rüberwechseln/scrollen, kann sich ungefähr merken, was ist da, erkennt mit den Augen auch welcher Bereich enthält welche Inhalte. Und dann geht es weiter zum nächsten Bereich. Und bei Blinden gilt einfach die Faustregel: Man kann wirklich immer nur eine Bildschirmzeile zur Zeit wahrnehmen und lesen. Durch dieses immer wieder zeilenweise Lesen und wahrnehmen müssen wird, glaube ich, zwangsweise das Gedächtnis von Blinden sehr gut geschult.

Wenn ich jetzt in Outlook eine lange E-mail öffne, eine sehr lange E-mail öffnen würde. Als sehender Mensch kann man dann querlesen, ein bisschen gucken, was ist eventuell gehighlightet durch farbliche Hervorhebung. Das ist für Blinde auch ein bisschen schwer darstellbar. Ich bin dann so, wenn ich mir das zu lang ist, dieses zeilenweise Lesen, dann mache ich das gerne absatzweise.

Der Screenreader hat bestimmte Einstellungen, wonach ich auch konkret suchen kann oder eben dieses absatzweise Lesen macht es mir auch ein bisschen einfacher, aber man muss schon als Blinder da immer auf Zack sein und alles, was wirklich wichtig ist, auch dann im Blick behalten, wenn man das noch mal später noch mal wieder nachlesen möchte, wo es sich ungefähr befindet.

Und noch mal zu Outlook: Eben dieses klassische Programm, was gut bedienbar ist. Wo ich auch weiß, es gibt ein weiteres Orientierungsmerkmal, was für Blinde wichtig ist: die Alt-Taste. Es gibt da noch mehrere Dinge, aber die Alt-Taste ist nicht unerheblich, weil ich damit in den klassischen Microsoft Programmen immer in die Menüleiste komme, die Untermenüs sehen kann, erkennen kann usw.

Ja nun, die Softwarewelt entwickelt sich, aber man kann vielleicht manchmal sagen leider weiter. Bei so einem neuen Programm wie Microsoft Teams sieht es etwas anders aus. Ich war einfach immer froh darum, dass ich mir so was wie im Microsoft Outlook die Dinge nach und nach selber beibringen konnte, ich nie Schulungen dafür brauchte.

Es gibt externe Dienstleister für Blinde zum Glück, die solche Schulungen anbieten. Das ist auch sehr, sehr wichtig, dass es so was gibt. Und so was wird auch zum Glück von allen Kostenträgern, die im Arbeitsleben einspringen, wenn es um Teilhabe für Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben geht bezahlt. Das wird auch alles bewilligt und finanziert. Und wenn man jetzt so ein althergebrachtes Programm wie Outlook vergleicht mit Teams, dann sind in Teams doch so einige Bedienhürden vorhanden.

Das fängt damit an, dass es eben keine Alt-Taste gibt, die auslöst, dass man Untermenü oder ins Menü von Teams kommt. Ein Vorteil von klassischen Officeanwendungen war auch immer, dass es Tastenkombinationen gibt. Es gibt ganz einfache Kombinationen, zum Beispiel in Outlook: Wenn ich in Outlook aus dem Posteingang raus möchte und vielleicht in dem Bereich gesendete Objekte, kann ich die sehr simple und gut zu merken Kombination verwenden: Steuerungstaste + Y. Ich finde, das prägt sich gut ein, wenn man nur zwei Tasten braucht die Controltaste und das Y und dann wechselt man in die Liste der Ordner. [man hört den Screenreader: „Strg Y, Wechsel zu Ordner, Dialogfeld, Doppelpunkt, Strukturansicht Posteingang, Doppelpunkt, 8.098 ungelesene Nachrichten“]. Jetzt kann ich mit einfach mit dem „G“ auf gesendet [man hört den Screenreader: „G, gesendete Elemente, geschlossen“]. So komplexe Programme wie Microsoft Teams sind da ganz anders.

Die bieten ja einen riesigen Funktionsumfang. Natürlich gibt es da auch etwas einfachere Shortcuts. Mit denen kann man dann vielleicht auch anfangen, wenn man lernen will, Teams zu bedienen. Aber es gibt auch sehr, sehr verschachtelte Shortcuts, die vielleicht aus drei oder sogar vier Tasten gemeinsam bestehen. Und das ist dann nicht mehr so intuitiv und man muss sich einfach sehr, sehr viel merken oder muss sich Listen erstellen, um diese Shortcuts nachzuschlagen. Ohne diese ganzen Shortcuts etwa mühsam zu erlernen, ist man als Blinder in Teams auch schnell aufgeschmissen und verliert jeden Überblick oder bekommt gar nicht erst einen Überblick. [man hört den Screenreader: „Hinweis Ausrufezeichen, REHADAT/Elan Größerzeichen Martin Selbach hat eine neue Nachricht gepostet. Microsoft Teams“]

Wenn jetzt das ein Chat gewesen wäre, da hätten wir auch gesehen äh gehört was ist, also was Martin schreiben würde. Aber da sind der Kanal war, wird dann nicht der Nachrichteninhalt vorgelesen. Und da es da auch viele verschiedene Ebenen gibt, muss man auch ganz genau sich überlegen, welche Shortcuts wann gelten die, wann ist es jetzt wichtig, die Tab-Taste zu benutzen, wann funktionieren die Cursor-Tasten, wann vielleicht aber auch gerade nicht, weil sich eine ganz andere Anwendung plötzlich geöffnet hat. Und während es ja früher für Microsoft Office immer alle paar Jahre nur neue Versionen gab oder kleinere Updates, wird an Teams ja auch ständig so ein bisschen im Hintergrund rumgebastelt und es kann nach Wochen oder nach ein paar Tagen passiert, dass alles wieder neu aussieht.

Mir ist auch klar, dass es Versehen ja genauso ist. Einerseits erleichtern Hilfsmittel das Arbeiten zu beenden oder machen es überhaupt erst möglich. Trotzdem könnte noch mehr achten auf Barrierefreiheit von Softwarehersteller und auch noch mehr achten auf gute, einfach mögliche Nutzbarkeit, gerade für blinde Menschen mit Screenreader. Das würde uns die Arbeit etwas mehr erleichtern, denn wir müssen ja auch die erforderlichen Leistungen bringen, die nicht behinderter Mensch auch bringen soll.

In meinem Fall hat das auch dazu geführt, dass meine Vorgesetzten irgendwann darauf aufmerksam geworden sind, dass ich mit Teams Probleme habe, ich mich da um eine Teams-Schulung kümmern musste. Das hat auch alles jetzt funktioniert. Aber für mich die Erkenntnis zu haben, dass es zum Ersten Mal so eine Standardsoftware ist, in die ich nicht alleine reinkomme, dass ich da ohne externe Hilfe überhaupt nicht weiterkommen würde - das war irgendwie ein Punkt, den ich nicht auf dem Schirm hatte. Und diese Erkenntnis musste auch erst mal reifen. Auch wie wichtig und wie dringend das irgendwann geworden war. Wenn man Programme nutzen soll, die man noch nicht kennt, weiß man bei vielen Softwareanwendungen nicht gleich von Anfang an, ist es für Blinde wirklich nutzbar. Man kann nie davon ausgehen, dass es einfach wie selbstverständlich nutzbar sein wird.

Das habe ich auch jetzt gemerkt, als ich diese Aufnahmen hier für mich ohne fremde Hilfe produzieren wollte. Was Sie hören, ist eine Aufnahme mit dem gut bedienbaren Audio-Recorder von Windows. Aber auch da merke ich, die Funktionen sind noch nicht so vorhanden. Und wenn ich mir überlege, dass es für Audio und Video-Bearbeitung für sehende Menschen wahrscheinlich ich schätze einfach mal 10 bis 20 oder noch mehr Programme und Apps gibt, wo jeder Sehende einfach drauf zugreifen kann.

Und für uns blinde Menschen gibt es gerade mal 2 bis 3 Lösungen, die bedienbar sind. Dann zeigt dieses Beispiel schon sehr, sehr deutlich, welche Barrieren noch in weniger standardisierten Programmen oder auch vielleicht auch gerade im Programm die gut, die sehr beliebt sind, welche Barrieren immer noch vorhanden sind. Es ist auch logisch, das digitale Barrierefreiheit mitzudenken schon erstmal auch einen gewissen Mehraufwand bedeutet. Das muss man gar nicht leugnen, aber der Aufwand ist eben geringer, wenn man von Anfang an bedenkt.

So, jetzt habe ich für heute mal versucht einen Einblick zu geben, wie ich so arbeite. Ich hoffe, ich konnte es ein bisschen verständlich rüberbringen, was Blinde so brauchen, woran sie schlimmstenfalls auch scheitern können. Aber wenn man genug Zeit bekommt, ist es eben genauso möglich, auch in Prozesse hineinzuwachsen.

Man braucht manchmal mehr Zeit und mehr Energie als Sehende. Aber wenn der Prozess, in solche Dinge reinzuwachsen, wenn das machbar ist, dann lohnt es sich am Ende letztendlich auch der Weg zum Erfolg. Der Weg mag dann ein bisschen steiniger und härter sein als für manchen Sehenden, aber wenn man gleichzeitig einen Teil der Leistung gut erbringen kann, so dass der Arbeitgeber fürs erste zufrieden ist und wenn der Arbeitgeber einem da auch genug Zeit einräumt, die anderen Dinge zu lernen, dann führt auch ein längerer Weg letztendlich zum Erfolg.

Wie immer freuen wir uns über Lob, Kritik, Anregungen oder Fragen. Auch für Themenvorschläge sind wir immer offen. Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Morgen.