Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem
SGB II unter Berücksichtigung von Leistungen für Mehrbedarf nach § 21
Abs. 4
SGB II.
Die Berufung ist nach §§ 143, 144
Abs. 1 Satz 2
SGG statthaft, denn sie war ursprünglich auf die Gewährung eines Mehrbedarfs für mehr als ein Jahr gerichtet.
Die Prüfung des streitgegenständlichen Anspruches ist auf den Zeitraum vom 27. Dezember 2005 (Antragstellung) bis 31. Mai 2006 (Ende des Bewilligungsabschnittes) beschränkt. Der Kläger hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2009 sein Begehren hinsichtlich weiterer Zeiträume nicht mehr aufrecht erhalten. Der auf den Überprüfungsantrag vom 27. Dezember 2005 ergangene ablehnende Bescheid vom 16. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2006 ist dabei dahingehend auszulegen, dass hiermit ein Anspruch auf Gewährung von höheren Leistungen nach dem
SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21
Abs. 4
SGB II für den vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 laufenden Bewilligungsabschnitt abgelehnt worden ist. Der Bescheid ergänzt insoweit den Bewilligungsbescheid vom 8. November 2005. Er enthält jedoch keine Regelung zu dem eigentlich gestellten Überprüfungsantrag für zeitlich davor liegende Bewilligungsabschnitte. Der Mehrbedarf nach § 21
Abs. 4
SGB II ist - wie auch die anderen Mehrbedarfe nach § 21
SGB II - nur ein Element der Höhe des Anspruches auf Leistungen nach dem
SGB II. Grundsätzlich sind Leistungsansprüche im Rahmen der hier erhobenen Anfechtungs- und unechten Leistungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Bei einem Streit um höhere Leistungen nach dem
SGB II sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (
vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/7b AS 64/06 = SozR 4-4200 § 21
Nr. 2). Die Struktur der Leistungen nach dem
SGB II erfordert, den Grundsatz der einheitlichen Entscheidung über alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu wahren. Eine Begrenzung des Streitgegenstandes allein auf die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21
Abs. 4
SGB II ist nicht zulässig. Dies ist nur dann zulässig, wenn ein Bescheid im Einzelfall mehrere abtrennbare Verfügungssätze enthält. Letzteres hat das
BSG für Verfügungen betreffend die Regelleistung einerseits und Unterkunfts- sowie Heizkosten andererseits angenommen (
BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R = SozR 4-4200 § 22
Nr. 1). Die dortigen Überlegungen sind jedoch nicht auf den Anspruch auf Leistungen nach dem
SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfes nach § 21
Abs. 4
SGB II übertragbar. In dem Urteil vom 27. Februar 2008 (aaO) hat das
BSG dies nicht einmal problematisiert (
vgl. zum befristeten Zuschlag nach § 24
SGB II siehe
BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007, B 14/11b AS 59/06 R, juris). Die Bewilligungs-
bzw. Änderungsbescheide für die nachfolgenden Bewilligungsabschnitte (ab 1. Juni 2006 bis laufend) und auch die nach Erlass des angefochtenen Bescheides ergangenen weiteren - ihrer äußeren Form nach isolierten - Entscheidungen zu § 21
Abs. 4
SGB II sind weder nach § 96
SGG Gegenstand des Verfahrens geworden noch im Wege einer Klageänderung in das Verfahren einzubeziehen (
vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, aaO). Die Rechtsprechung zur Nichteinbeziehung eines ablehnenden Bescheides, der auf einen erneuten Antrag ergeht (
BSG, Beschluss vom 19. September 2008, B 14 AS 44/08 B, juris) ist nicht einschlägig. Denn diese betrifft Konstellationen, in denen im angefochtenen Bescheid Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem
SGB II insgesamt versagt worden sind. Hier hat der Beklagte jedoch nicht Leistungen nach dem
SGB II ganz versagt, sondern vielmehr mit Bescheid vom 8. November 2005 für den Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 gewährt.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige. Nach § 21
Abs. 4 Satz 1
SGB II erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben nach
§ 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54
Abs. 1
S. 1
Nr. 1-3
SGB XII erbracht werden, einen Mehrbedarf in Höhe von 35 % der nach § 20
SGB II maßgeblichen Regelleistung. Liegen die Voraussetzungen vor, besteht ein Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf. Daher kommt es zur Überzeugung des Senats nicht darauf an, ob der Kläger einen behinderungsbedingten Mehrbedarf konkret-individuell vortragen und
ggf. beweisen kann.
Der Kläger erfüllt in dem streitigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen des § 7
Abs. 1 Satz 1
SGB II, was von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt worden ist. Im streitigen Zeitraum lag auch eine Erwerbsfähigkeit gemäß § 7
Abs. 1
S. 1
Nr. 2, 8
Abs. 1
SGB II vor. Der Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller
bzw. teilweiser EM wurde vom Rentenversicherungsträger (
DRV Bund) abgelehnt. Auch an der Behinderung im Sinne des
§ 2 SGB IX bestehen insbesondere aufgrund der Feststellung eines
GdB von 60
bzw. 70 keine Zweifel.
Die Anwendung des § 21
Abs. 4
SGB II setzt indes voraus, dass die in dieser Vorschrift bezeichneten Leistungen "erbracht werden". Für die Bejahung eines Mehrbedarfs genügt nicht, dass möglicherweise ein Anspruch auf eine Teilhabeleistung oder eine Leistung der Eingliederungshilfe (
vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2008,
B 11b AS 19/07 R, Rn. 22, juris; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink,
SGB II, § 21 Rn. 41) abstrakt-generell in Betracht kommt. Die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf sind erst erfüllt, wenn der Berechtigte an einer Maßnahme des § 33
SGB IX tatsächlich teilnimmt (
vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2008, aaO;
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Juli 2009, L 7 AS 65/08, juris;
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. November 2008,
L 29 B 414/08 AS NZB, juris; Loose in
GK-
SGB II, § 21 Rn. 28). Dem erkennbaren Sinn und Zweck nach setzt die Anerkennung des in § 21
Abs. 4
SGB II geregelten Mehrbedarfs danach die Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme voraus, die grundsätzlich geeignet ist, einen Mehrbedarf beim Betroffenen auszulösen (
BSG, Urteil vom Urteil vom 25. Juni 2008, aaO).
Im streitigen Zeitraum hat der Kläger erkennbar nicht an einer besonderen regelförmigen Maßnahme iS des § 21
Abs. 4
SGB II teilgenommen. Erst vom 21. Juni bis 28. Juni 2006 hat er an einer Maßnahme des B B teilgenommen. Für die Dauer der Teilnahme an dieser Maßnahme ist ihm Mehrbedarf nach § 21
Abs. 4
SGB II vom Beklagten bewilligt worden. Über die möglicherweise in Betracht kommenden Zeiträume der Teilnahme an regelförmigen Maßnahmen (2. Juli bis 14. Dezember 2007 - Lehrgang "Medienoperator" bei D, Betreuung und Vermittlung durch den I auf der Grundlage des Vermittlungsvertrages I vom 27. September 2007, MAE-Maßnahme vom 1. Juni bis 2. November 2008) ist hier nicht zu entscheiden.
Die psychotherapeutische Behandlung des Klägers ab 10. Januar 2006 (siehe Attest des
Dipl.-Psychologen, Psychologischer Psychotherapeut W vom 7. Oktober 2007) ist keine Teilnahme an einer besonderen regelförmigen Maßnahme. Es handelt sich dabei um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Form der Krankenbehandlung nach
§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, die nach der Systematik des
SGB keine Leistung zur Teilnahme am Arbeitsleben nach § 33
SGB IX sein kann. Dies gilt auch dann, wenn die Behandlung durch den Psychotherapeuten W eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation wäre. Denn Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden von
§ 26 SGB IX erfasst und sind von den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33
SGB IX bzw. den sonstigen Hilfen nach
§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII zu trennen. Zwar umfassen die Leistungen nach § 33
Abs. 6 Satz 1
SGB IX auch psychologische Hilfen. Zur Ab- und Begrenzung des weit gefassten § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB IX ("die erforderlichen Leistungen") ist zur Überzeugung des Senats zusätzliche Voraussetzung für einen Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 21
Abs. 4
SGB II, dass die Leistungen nach § 33
SGB IX bzw. sonstige Hilfen nach § 54
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 bis 3
SGB XII durch Verwaltungsakt bewilligt sind (
vgl. Münder in LPK-
SGB II, 2. Auflage § 21 Rn. 21). Das
BSG hat diese Voraussetzung in seinem Urteil vom 26. Juni 2008 (aaO) offen gelassen.
Die allgemeine Beratung und Unterstützung des Klägers durch den Beklagten stellt ebenfalls keine Teilnahme an einer besonderen regelförmigen Maßnahme iS des § 21
Abs. 4
SGB II dar. Auch ist die allgemeine Beratung und Unterstützung die Pflicht jedes Leistungsträgers nach dem
SGB (§§ 13, 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) sowie bei den Leistungen nach dem
SGB II zusätzlich Ausfluss des vorrangigen Ziels einer möglichst zügigen (Wieder-) Eingliederung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in den Arbeitsmarkt (dazu
BSG, Urteil vom 30. September 2008, B 4 AS 19/07 R = SozR 4-4200 § 11
Nr. 14) und kann schon deshalb keine Leistung nach § 33
Abs. 3
Nr. 1
SGB IX (Hilfe zur Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung) sein.
Die Kostenentscheidung beruht § 193
SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG). Auch im Lichte des Urteils des
BSG vom 25. Juni 2008 (aaO) und im Hinblick auf das bei dem
BSG rechtshängige Verfahren B 4 AS 59/09 R (vorgehend
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Juli 2009, L 7 AS 65/08, Betreuung durch den Integrationsfachdienst) ist noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine allgemeine Beratung und Unterstützung oder medizinische und psychologische Hilfen einen Anspruch auf Bewilligung eines Mehrbedarfs nach § 21
Abs. 4
SGB II begründen.