Die zulässigen Berufungen beider Parteien haben keinen Erfolg. Der Beschäftigungsantrag der Klägerin ist auch in der in zweiter Instanz gestellten Fassung nicht weiter begründet, als ihm bereits das Arbeitsgericht stattgegeben hat. Der weitergehende Antrag der Klägerin auf Beschäftigung alternativ in der Fahrerbeobachtung oder in der allgemeinen Verwaltung ist daher ebenfalls mit diesem Urteil abgewiesen worden.
A) Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil ist gemäß § 64
Abs. 1
ArbGG statthaft, form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden und damit zulässig. Gleiches gilt für die gemäß §§ 64
Abs. 6
ArbGG, 524
ZPO statthafte, ebenfalls form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil. Schließlich hat die Beklagte auch gegen das Schlussurteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet, sodass alle Berufungen zulässig sind.
B) Die Berufungen sind jedoch insgesamt unbegründet. Der Klägerin steht ein Beschäftigungsanspruch gegen die Beklagte nur in dem Umfang zu, wie er vom Arbeitsgericht im Teilurteil beschieden worden ist. Dementsprechend sind die Berufungen beider Parteien gegen dieses Teilurteil unbegründet. Dem Zahlungsantrag hat das Arbeitsgericht im Schlussurteil, soweit in der Berufung streitgegenständlich, ebenfalls zu Recht stattgegeben, sodass die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ebenfalls unbegründet ist.
I. Der Hauptantrag zu 1. (Beschäftigungsantrag) der Klägerin in der im Berufungstermin zuletzt gestellten Form ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.
1. Über den Hauptantrag ist in der Berufungsinstanz in der zuletzt gestellten Fassung zu entscheiden. Die Klägerin hat ihren Antrag sowohl in erster als auch in zweiter Instanz zulässig geändert.
a) Allerdings handelt es sich bei der Umstellung des Antrags in erster Instanz im zweiten Kammertermin um eine Klageänderung im Sinne des § 263
ZPO. Das Arbeitsgericht hat insoweit gemeint, die Klägerin habe ihren Antrag lediglich um den Zusatz "bei im Übrigen unveränderter vertraglicher Vergütung" gekürzt und zudem dahingehend eingeschränkt, dass die Beschäftigung nur vorbehaltlich der Zustimmung des Betriebsrats begehrt werde und hat angenommen, hierin sei gemäß § 264
ZPO keine Klageänderung zu sehen. Dabei übersieht das Arbeitsgericht, dass durch das Streichen des Zusatzes hinsichtlich der unveränderten vertraglichen Vergütung die Klägerin der Sache nach ihr Beschäftigungsbegehren ausgeweitet hat, nämlich im Hinblick auf eine Beschäftigung bei veränderter vertraglicher Vergütung. Das ist der Sache nach eine Erweiterung des geltend gemachten Anspruchs, keine Beschränkung.
Wie das Arbeitsgericht aber in seiner Hilfsbegründung zutreffend erkannt hat, ist die danach von der Klägerin vorgenommene Klageänderung in erster Instanz gemäß § 263
ZPO sachdienlich, da mit ihr die Frage der Beschäftigung der Klägerin, sei es zu unveränderten oder veränderten Vergütungssätzen, abschließend entschieden wird.
b) Die erneute Änderung des Klageantrags in der Berufung ist ebenfalls zulässig. Nach § 533
ZPO ist eine Klageänderung in der Berufung zulässig, wenn erstens der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und zweitens diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht in seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529
ZPO zugrunde zu legen hat. Die Beklagte hat in die Klageänderung nicht eingewilligt. Diese ist jedoch sachdienlich. Dies aus denselben Gründen, wie sie bereits für die Klageänderung in erster Instanz gelten. Mit der Klageänderung in zweiter Instanz ist der Antrag nur genauer dem Begehren der Klägerin angepasst, der es nicht darum geht, irgendeine bestimmte Beschäftigung von der Beklagten im Klagewege zu verlangen, sondern nur darum, überhaupt beschäftigt zu werden. Deswegen kam es der Klägerin auch nicht darauf an, auf welchem der alternativ in der Verwaltung angegebenen Arbeitsplätze die Beklagte sie zu beschäftigen hat, sondern nur, dass sie überhaupt - auch - auf einem Arbeitsplatz in der Verwaltung beschäftigt werden kann. Über dieses Begehren kann aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstands in beiden Instanzen durch das Berufungsgericht abschließend entschieden werden.
2. Der danach zur Entscheidung anstehende Beschäftigungsantrag der Klägerin in der Form, wie er im Berufungstermin gestellt worden ist, ist zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des § 253
Abs. 2
Nr. 2
ZPO. Nach dieser Vorschrift muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein. Die klagende Partei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen. Der Streit der Parteien darf nicht in die Vollstreckung verlagert werden. Diese Anforderung ist auch erfüllt, wenn der Antrag durch Auslegung, insbesondere unter Heranziehung der Klageschrift und des sonstigen Vorbringens der Klägerin hinreichend bestimmt ist (
BAG, Urt. v. 10.05.2005 -
9 AZR 230/04 - Juris, Rn. 27). Diesen Anforderungen genügt der in der Berufungsinstanz gestellte Antrag. Mit ihm geht es der Klägerin um tatsächliche Beschäftigung, entweder als Fahrscheinprüferin, als Fahrerbeobachterin oder als Mitarbeiterin in der Verwaltung der Beklagten. Dabei ist insbesondere der Teil des Antrags, der auf eine Beschäftigung in der Verwaltung abzielt, auch hinreichend bestimmt. Welche Tätigkeiten in der Verwaltung die Klägerin sich im Einzelnen vorstellt, kann unter Auslegung des sonstigen Vorbringens der Klägerin ohne Weiteres ermittelt werden. In ihren Schriftsätzen hat sie die einzelnen Tätigkeiten, die aus ihrer Sicht für sie in Frage kommen, genau beschrieben. Die Beklagte hat sich auch zu sämtlichen Tätigkeiten im Einzelnen eingelassen, sodass kein Streit im Vollstreckungsverfahren darüber bestehen kann, was von der Klägerin in ihrem Antrag gemeint ist. Unter Heranziehung der Entscheidungsgründe des Gerichts kann dann festgestellt werden, welche der einzelnen Tätigkeiten in der Verwaltung das Gericht als mögliche Beschäftigungen für die Klägerin angesehen hat, für den Fall, dass dem Antrag insoweit stattgegeben wird.
3. Der Beschäftigungsantrag der Klägerin ist aber nur teilweise begründet, nämlich nur insoweit, wie die Klägerin eine Beschäftigung als Fahrscheinprüferin bei der Beklagten begehrt. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet. Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist allein § 611
Abs. 1
BGB i. V. m.
§ 81 Abs. 4 Satz 1 Ziffer 1 SGB IX. Die vom Arbeitsgericht insoweit herangezogene allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus § 241
Abs. 2
BGB tritt hinter diese spezialgesetzliche Regelung des Beschäftigungsanspruchs eines Schwerbehinderten zurück.
Nach § 81
Abs. 4 Satz 1
Nr. 1
SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Der Arbeitgeber erfüllt diesen Anspruch regelmäßig dadurch, dass er dem Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zuweist. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer die damit verbundenen Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, so führt dieser Verlust nach der Konzeption der §§ 81
ff. SGB IX nicht ohne Weiteres zum Wegfall des Beschäftigungsanspruches. Der Arbeitnehmer kann Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht abdeckt, auf eine entsprechende Vertragsänderung. Um eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen, ist der Arbeitgeber nach § 81
Abs. 4 Satz 1
Nr. 4
SGB IX auch zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation verpflichtet. So kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer verlangen, dass er mit leichteren Arbeiten beschäftigt wird, sofern im Betrieb die Möglichkeit zu einer solchen Aufgabenumverteilung besteht. Der Arbeitgeber ist jedoch dann nicht zur Beschäftigung des schwerbehinderten Menschen verpflichtet, wenn ihm die Beschäftigung unzumutbar oder eine solche nur mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist, § 81
Abs. 4 Satz 3
SGB IX. Der Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, für den schwerbehinderten Menschen einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten (
BAG, Urt. v. 14.03.2006 -
9 AZR 411/05 - Juris, Rn. 18 u. 19).
Macht der schwerbehinderte Arbeitnehmer den schwerbehindertenrechtlichen Beschäftigungsanspruch nach § 81
Abs. 4 Satz 1
Nr. 1
SGB IX geltend, so hat er nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Dazu muss er sein eingeschränktes Leistungsvermögen darlegen und ggfs. beweisen, seine Weiterbeschäftigung geltend machen und die Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen, die seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen sollen. Hierauf hat sich der Arbeitgeber substantiiert einzulassen. Er muss darlegen, aus welchen Gründen die vom Arbeitnehmer vorgeschlagenen Beschäftigungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Welche Einzelheiten vom Arbeitgeber vorzutragen sind, bestimmt sich nach den Umständen des Streitfalls unter Berücksichtigung der Darlegungen des klagenden Arbeitnehmers. Als Einwände kommen in Betracht, dass entsprechende Tätigkeitsbereiche überhaupt nicht vorhanden seien, keine Arbeitsplätze frei seien und auch nicht freigemacht werden könnten, der Arbeitnehmer das Anforderungsprofil nicht erfülle oder die Beschäftigung aus anderen Gründen unzumutbar sei (
BAG, Urt. v. 10.05.2005 - 9 AZR 230/04 - Juris, Rn. 42).
a) Ausgehend von diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass der Beklagten eine Beschäftigung der Klägerin im Fahrscheinprüfdienst möglich und zumutbar ist, auch wenn diese nicht als Busfahrerin im Personenverkehr von ihr eingesetzt werden kann.
aa) Bei der Beklagten gab es zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung 12 Arbeitsplätze als Fahrscheinprüfer. Es werden von der Beklagten tatsächlich 12 Mitarbeiter mit der Fahrscheinprüfung beschäftigt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese Fahrscheinprüfer zusätzlich als Fahrer im Personennahverkehr eingesetzt werden, wobei das Gericht im Folgenden die Angaben der Beklagten zugrunde legt, dass dieser Einsatz im Umfang von
ca. 50 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erfolge. Bei den Tätigkeiten als Fahrscheinprüfer und denen als Busfahrer handelt es sich jeweils um selbstständige Aufgabenbereiche, die bei der Arbeitsausführung nicht miteinander verzahnt sind oder in irgendeiner Weise ineinander greifen. Nach Auffassung des Gerichts kann die Beklagte nicht damit gehört werden, dass es zum Anforderungsprofil an den Arbeitsplatz als Fahrscheinprüfer gehöre, dass dieser auch in der Lage sein müsse, Busse im Personennahverkehr zu führen. Da die Tätigkeit des Prüfers mit dem Führen von Bussen in keinem Zusammenhang steht, erscheint es rechtsmissbräuchlich, entsprechende Anforderungen aufzustellen. Eine andere Frage ist, ob es dem Arbeitgeber zumutbar ist, seinen Betrieb so zu organisieren, dass er auch Fahrscheinprüfer beschäftigt, die nicht zum Busfahren herangezogen werden können. Darauf wird später einzugehen sein (
vgl. ee).
Bei anderer Betrachtungsweise könnte ein Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch des Schwerbehinderten weitestgehend leer laufen lassen, indem er an bestimmte Tätigkeiten zusätzliche Qualifikationsanforderungen mit der Begründung stellt, auf einem bestimmten Arbeitsplatz müssten auch anderweitige Tätigkeiten erledigt werden können, obwohl diese mit der weiteren Arbeitsaufgabe, die der Schwerbehinderte ausüben könnte, nicht im Zusammenhang stehen. Der organisatorischen Konzeption der Beklagten, die Arbeitsplätze im Fahrscheinprüfdienst als Mischarbeitsplätze für ihre Fahrer auszugestalten, steht diese Betrachtungsweise nicht entgegen. Der Beklagten bleibt es unbenommen, weiterhin im Prüfdienst Mitarbeiter zu beschäftigen, die auch anderweitig als Fahrer eingesetzt werden können.
bb) Die Klägerin ist zur Ausübung einer Tätigkeit als Fahrscheinprüferin auch gesundheitlich geeignet. Das hat sie sowohl in erster als auch in zweiter Instanz ausführlich dargelegt und darauf hingewiesen, dass zu ihrem Krankheitsbild keine Stressanfälligkeit gehöre. Hiervon ist das Gericht nach dem Vortrag beider Parteien und aufgrund des vom Arbeitsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens auch mit der notwendigen Gewissheit überzeugt. Es kann dahinstehen, ob der Vortrag der Beklagten überhaupt geeignet ist, die gesundheitliche Eignung der Klägerin für die Tätigkeit als Fahrscheinprüferin in Abrede zu stellen. Selbst wenn die Klägerin erhöht stressanfällig sein sollte, bedeutet dies zunächst einmal nur, dass es unter Umständen zu vermehrten Arbeitsunfähigkeitszeiten kommen könnte, nicht aber, dass sie für die Tätigkeit als Fahrscheinprüfern generell gesundheitlich nicht geeignet ist. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt auch von zahlreichen weiteren, auch vom
BAG (
a. a. O.) entschiedenen Fällen, in denen regelmäßig orthopädische Leiden Grund für die Schwerbehinderung sind. Bei diesen, bei denen regelmäßig das Heben schwerer Lasten ab einem bestimmten Gewicht nicht möglich ist oder Über-Kopf-Arbeiten
o. ä. kann von vornherein festgestellt werden, dass bestimme Arbeiten nicht ausgeübt werden können. Für die der Behinderung der Klägerin zugrunde liegende Erkrankung gilt nichts Vergleichbares. Soweit die Klägerin keinen Krankheitsschub erleidet, kann sie ohne Beanstandungen ihre Tätigkeiten ausführen. So war die Klägerin - trotz bestehender Erkrankung - seit 1990 als Busfahrerin im Straßenverkehr für die Beklagte tätig, ohne dass für eine Stressanfälligkeit irgendwas ersichtlich ist. Auch nachdem die Klägerin nach Erlass des erstinstanzlichen Teilurteils seit Juli 2011 als Fahrscheinprüferin eingesetzt war, sind nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag der Klägerin im Berufungstermin keine Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgetreten. Diese Einschätzung wird bestätigt und belegt und führt zur Überzeugungsbildung beim Gericht durch das Sachverständigengutachten.
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten in der Zusammenfassung festgestellt, dass bei der Klägerin eine paranoid-halluzinatorische Schizophrenie vorliege. Diese sei durch eine vollständige Remission (Remission = Zurückgehen von Krankheitserscheinungen, Pschyrembel, klinisches Wörterbuch 2012) gekennzeichnet. Es gebe keine sogenannten Residualzustände (residual = zurückbleibend, Pschyrembel,
a. a. O.). Die Klägerin weise einen psychischen Normalbefund auf. Angesichts dieser Feststellungen und des Umstandes, dass die Klägerin die Tätigkeit als Fahrscheinprüferin zum Zeitpunkt des Berufungstermins seit elf Monaten bereits ausgeübt hat, ist das Gericht von einer gesundheitlichen Eignung der Klägerin für die in Aussicht genommene Tätigkeit überzeugt. Der von der Beklagten angebotene Gegenbeweis durch ein weiteres Sachverständigengutachten war nicht zu erheben, da die Beklagte gegen die konkreten Feststellungen des Gutachters keine Einwendungen erhoben hat und nur ihre eigene Einschätzung über die Leistungsfähigkeit der Klägerin "ins Blaue hinein" behauptet. Es fehlt auch an jeder substantiierten Darlegung, welchen konkreten Stresssituationen die Klägerin im Fahrscheinprüfdienst ausgesetzt ist. Allein der Vortrag, es gebe vermehrt gewaltbereite Kunden ohne Fahrschein, lässt eine Definition des Stresszustandes und eine Überprüfung der gesundheitlichen Eignung der Klägerin durch den Sachverständigen nicht zu.
cc) Bei der Beklagten gibt es auch einen freien Arbeitsplatz als Fahrscheinprüfer. Die Beklagte kann sich auf eine etwaige Besetzung ihrer Stellen im Prüfdienst nach dem Rechtsgedanken des § 162
Abs. 1
BGB nicht berufen. Grundsätzlich kann auch der schwerbehinderte Arbeitnehmer nur die Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz verlangen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung des Bestehens des Anspruchs ist der Schluss der Berufungsverhandlung (
BAG, Urt. v. 10.05.2005,
a. a. O., Rn. 51).
Der Beklagten ist es jedoch verwehrt, sich auf eine etwaige Besetzung der Stellen der Fahrscheinprüfer zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung zu berufen. Die Klägerin hatte sich bereits mit Schreiben vom 15.09.2009 für die Qualifizierungsmaßnahme zum Prüfen von Fahrausweisen beworben. Sie hat ferner bereits zum 05.10.2009 die Tätigkeit als Fahrscheinprüferin angeboten. Die Beklagte hat während des laufenden Verfahrens Stellen als Fahrscheinprüfer besetzt. Noch nachdem sie am 06.10.2010 im Verhandlungstermin vor dem Arbeitsgericht erklärt hat, es würden 10 Prüfer beschäftigt, sind zwei weitere Prüfer eingestellt worden. Es widerspräche den Grundsätzen von Treu und Glauben, wenn die Beklagte sich trotz eines rechtzeitigen konkreten Beschäftigungsverlangens durch die Klägerin im Verfahren darauf zurückziehen könnte, derzeit seien alle Stellen besetzt. Es bedarf daher keine Feststellung, ob - wie von der Klägerin behauptet - aktuell freie Stellen für Fahrscheinprüfer zu besetzen sind. Im Übrigen kann die Beklagte auch durch teilweisen Einsatz der bisherigen Prüfer im Fahrdienst eine Beschäftigungsmöglichkeit als Fahrscheinprüferin für die Klägerin ermöglichen.
dd) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin die Qualifizierungsmaßnahme zur Fahrscheinprüferin noch nicht abgeschlossen hat. Auch insoweit greift der Rechtsgedanke aus § 162
Abs. 1
BGB. Die Beklagte hat die Bewerbung der Klägerin für eine Qualifizierungsmaßnahme abschlägig beschieden, obwohl die Klägerin die in der Ausschreibung als wünschenswert bezeichnete zehnjährige Betriebszugehörigkeit aufweist und die ebenfalls "uneingeschränkte Tauglichkeit zum Fahren" von der Klägerin nicht verlangt werden durfte. Die Beklagte kann sich jetzt nach Treu und Glauben nicht darauf zurückziehen, dass es der Klägerin an der Qualifikation für die Tätigkeit als Fahrscheinprüferin fehlt.
ee) Der Beschäftigung der Klägerin als Fahrscheinprüferin stehen auch keine unzumutbaren Aufwendungen im Sinne des § 81
Abs. 4
S. 3
SGB IX entgegen.
Mit dem Arbeitsgericht geht das Gericht vielmehr davon aus, dass ein Einsatz der Klägerin als Fahrscheinprüferin der Beklagten organisatorisch ohne Weiteres möglich ist. Die Klägerin ist nur im Umfang von 22,8 Wochenstunden für die Beklagte tätig. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten werden ihre übrigen Mitarbeiter mit ungefähr 50 % ihrer Arbeitszeit zum Prüfdienst herangezogen. Ausgehend von der in § 9
Abs. 1 des Manteltarifvertrags geregelten wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Wochenstunden bedeutet ein Einsatz der Klägerin von 22,8 Wochenstunden im Prüfdienst einen Umfang von 58,5 % der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Es ist nicht erkennbar und von der Beklagten auch nicht dargelegt, warum hier eine Einteilung der Klägerin in diesem Umfang, letztlich in drei Schichten an drei Arbeitstagen nicht möglich sein sollte. Allein der - abstrakte - Einwand der Beklagten, sie habe ein Interesse daran, sämtliche Fahrscheinprüfer auch in Notfällen zu Fahrdiensten heranzuziehen, macht die Beschäftigung der schwerbehinderten Klägerin nicht unzumutbar. Den Einsatz der Klägerin im Regelfahrdienst kann die Beklagte durch Heranziehung ihrer weiteren annähernd 500 beschäftigten Busfahrer kompensieren.
ff) Der Einsatz der Klägerin als Fahrscheinprüferin ist auch rechtlich zulässig. Das entsprechende Versetzungsrecht der Beklagten ergibt sich aus § 2 des Arbeitsvertrages. Im Übrigen kommt es auf diesen Einwand der Beklagten nicht an, weil der schwerbehinderte Arbeitnehmer auch eine Beschäftigung zu veränderten Bedingungen verlangen kann.
b) Die Klägerin kann hingegen keine Beschäftigung als Fahrerbeobachterin verlangen. Nach den Erörterungen im Berufungstermin ist davon auszugehen, dass es einen entsprechenden Arbeitsplatz bei der Beklagten nicht gibt. Ihr Bestreiten mit Nichtwissen, dass die Beklagte keinen Arbeitsplatz für Fahrerbeobachter vorhält, hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht aufrecht erhalten, sondern vielmehr ausgeführt, tatsächlich würden keine Fahrerbeobachter mehr eingesetzt. Die Beklagte hat insoweit nach Anhörung ihres Geschäftsführers im Berufungstermin ausgeführt, es gebe derzeit keine Pläne, einen Mitarbeiter als Fahrerbeobachter einzusetzen; es sei allein daran gedacht, Kunden in die Fahrerbeobachtung einzubinden und diese das Dienstleistungsverhalten der Fahrer beobachten zu lassen. Diesen Ausführungen des Geschäftsführers der Beklagten ist die Klägerin, anders als hinsichtlich der weiteren Ausführungen, etwa zur Tätigkeit der Fahrscheinprüfer, im Berufungstermin nicht weiter entgegengetreten. Die Klägerin hat damit erkennbar ihr Bestreiten dieses Umstands aufgegeben.
Die Einrichtung eines Arbeitsplatzes als Fahrerbeobachterin kann die Klägerin nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht verlangen.
c) Die Klägerin kann schließlich auch nicht verlangen, als Mitarbeiterin in der Verwaltung beschäftigt zu werden. Dabei kommt es auf die umfangreichen Ausführungen der Parteien zur Qualifikation der in der Verwaltung beschäftigten Mitarbeiter und auf das Vorhandensein freier Arbeitsplätze nicht an. Im Berufungstermin ist unstreitig gewesen, dass die Beklagte keine Verwaltung mehr vorhält, sondern die Verwaltungsaufgaben im Wege des Teilbetriebsübergangs auf ein anderes Unternehmen übergegangen sind. Der Beschäftigungsanspruch nach § 81
Abs. 4 Satz 1 Ziffer 1
SGB IX richtet sich aber gegen den Arbeitgeber. Demzufolge kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer auch nur Beschäftigung von seinem Arbeitgeber verlangen. Die von der Klägerin aufgezeigten Arbeitsplätze in der Verwaltung bestehen aber nicht bei ihrem Arbeitgeber. Einen Anspruch auf Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gibt § 81
Abs. 4
SGB IX nicht her. II. Über den Hilfsantrag zu 3. aus dem Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 12.04.2011 ist nicht zu entscheiden, weil dieser nur für den Fall der Unzulässigkeit der Klageänderung in erster Instanz gestellt worden war und diese Klageänderung zutreffend vom Arbeitsgericht als zulässig beurteilt wurde.
III. Über den Hauptantrag zu 2. aus dem Teilurteil vom 12.04.2011 ist nicht zu entscheiden, weil die Klägerin ihre insoweit eingelegte Anschlussberufung im Berufungstermin zurückgenommen hat.
IV. Der in der Berufungsinstanz noch anhängige Zahlungsantrag ist begründet. Der Klägerin steht Vergütung für die Monate Februar bis April 2010 zu. Dies allerdings nicht aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, sondern als Schadensersatz.
1. Da hinsichtlich des Zahlungsantrags nur die Beklagte Berufung eingelegt hat, ist insoweit nur der Vergütungsanspruch der Klägerin für die Monate Februar bis April 2010 in die Berufungsinstanz gelangt. Dieser Antrag ist auch nach wie vor anhängig, auch wenn er von der Klägerin im zweiten Kammertermin nur hilfsweise gestellt worden ist und die Parteien darüber streiten, ob die der hilfsweisen Antragstellung zugrunde liegende Bedingung eingetreten ist. Jedenfalls hat die Klägerin diesen Zahlungsantrag im dritten Kammertermin vor dem Arbeitsgericht unbedingt und nicht mehr hilfsweise gestellt. Damit war über ihn durch das Arbeitsgericht zu entscheiden.
2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch gemäß § 280
Abs. 1
BGB auf Schadensersatz im Hinblick auf die ihr für die Monate Februar bis April 2010 entgangene Vergütung zu.
a) Anspruchsgrundlage des Begehrens der Klägerin ist ein Schadensersatzanspruch. Die Beklagte befand sich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Annahmeverzug. Das ist allerdings nicht unbestritten.
aa) Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des
BAG (Urt. v. 04.10.2005 - 9 AZR 632/04 - Juris, Rn. 12) führt die unterlassene Zuweisung eines Arbeitsplatzes dann nicht zu einem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aus Annahmeverzug, wenn die Voraussetzungen des § 297
BGB vorliegen. Dem Arbeitnehmer muss die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistungen möglich sein. Unmöglichkeit und Annahmeverzug schließen sich aus. Eine den Annahmeverzug ausschließende Unmöglichkeit sei jedoch nicht schon deshalb anzunehmen, weil der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person nur einen Teil, nicht aber alle Arbeiten verrichten könne, die zum Spektrum der vertraglich vereinbarten Tätigkeit gehörten. Anderenfalls bliebe außer Acht, dass der Arbeitgeber gemäß § 106 Satz 1 GewO sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben und dabei auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen habe. Bei beschränkter Leistungsfähigkeit aufgrund einer Behinderung sei der Arbeitgeber nach § 106 Satz 3 GewO sogar verpflichtet, im Rahmen der Ausübung seines Direktionsrechts auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Sei es deshalb dem Arbeitgeber möglich und zumutbar, dem nur eingeschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer Arbeiten zuzuweisen, die seiner verbleibenden Leistungsfähigkeit entsprächen, sei die Zuweisung anderer Arbeiten nach § 106 Satz 1 GewO unbillig. Damit stehe die Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers aufgrund einer Behinderung bei unbilliger Ausübung des Direktionsrechts dem Annahmeverzug des Arbeitgebers nicht entgegen (
BAG,
a. a. O., Rn. 14). Da nach den obigen Feststellungen (I.3a) die Beklagte der Klägerin eine Tätigkeit hätte zuweisen können, die ihrer Behinderung Rechnung trug, ist nach der Rechtsprechung des 9. Senats des
BAG vom Annahmeverzug auszugehen. Die Beklagte hat der Klägerin gar keine Arbeit zugewiesen, ihr Direktionsrecht also nicht ausgeübt. Das ist genauso zu bewerten, als wenn sie ihr Direktionsrecht unbillig ausgeübt hätte.
bb) Der 5. Senat des
BAG geht demgegenüber von einer schadensersatzrechtlichen Lösung der Problematik aus (Urt. v. 19.05.2010 -
5 AZR 162/09 - Juris). Er hat ausgeführt: Kann der Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben ist, die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO wirksam näher bestimmte Tätigkeit aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr ausüben, aber eine andere, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten, ist das Angebot einer "leidensgerechten Arbeit" ohne Belang, solange der Arbeitgeber nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts diese zu der im Sinne von § 294
BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt hat. Anderenfalls könnte der Arbeitnehmer den Inhalt der arbeitsvertraglich nur rahmenmäßig umschriebenen Arbeitsleistung selbst konkretisieren. Das widerspräche § 106 Satz 1 GewO. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht ist nach § 106 Satz 1 GewO Sache des Arbeitgebers. Verlangt der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeit in rechtlich einwandfreier Art und Weise, kommt er nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer diese Arbeit ablehnt und stattdessen eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet. Mit der Ausübung des Direktionsrechts wird die vertraglich geschuldete Tätigkeit näher bestimmt und ist ab diesem Zeitpunkt bis zur wirksamen Neuausübung des Direktionsrechts die konkret geschuldete Leistung (
BAG,
a. a. O., Rn. 16). Der 5. Senat hat ausdrücklich offen gelassen, ob der Rechtsprechung des 9. Senats zu dieser Frage zu folgen sei (
a. a. O., Rn. 23). Legt man diese Rechtsauffassung zugrunde gilt für den vorliegenden Fall Folgendes: Die Klägerin kann ihre ursprünglich vereinbarte Tätigkeit als Busfahrerin nicht mehr ausüben. Eine anderweitige Festlegung ihrer Tätigkeit durch Ausübung des Direktionsrechts ist durch die Beklagte nicht erfolgt. Damit konnte die Klägerin die Beklagte auch nicht durch das Angebot leidensgerechter Arbeit als Fahrscheinprüferin in Annahmeverzug setzen.
cc) Das Berufungsgericht folgt der Auffassung des 5. Senats aus den von diesem genannten Gründen. Andernfalls könnte ein Arbeitnehmer durch Angebot irgendeiner Arbeit den Verzug auslösen, ein Schwerbehinderter sogar durch ein Angebot nicht vertragsgerechter Arbeit, weil er nach der Rechtsprechung des 9. Senats auch Anspruch auf Beschäftigung zu geänderten Bedingungen haben kann (Urt. v. 14.03.2006 -
9 AZR 411/05 - Juris, Rn. 18). Das ist mit der gesetzlichen Konzeption, nach der das Leistungsbestimmungsrecht dem Arbeitgeber zusteht (§ 106 GewO), nicht zu vereinbaren.
b) Die Beklagte hat gegenüber der Klägerin ihre Vertragspflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt. Sie war
gem. § 81
Abs. 4 Satz 1
Nr. 1
SGB IX zur Zulassung der Klägerin zur Qualifikation zur Fahrscheinprüferin und zum späteren Einsatz der Klägerin als Fahrscheinprüferin verpflichtet. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Diese Stelle war im Zeitraum von Februar bis April 2010 bei der Beklagten auch zu besetzten. Infolge des Unterlassens des rechtlich Gebotenen durch die Beklagte hat diese ihre Vertragspflichten verletzt.
c) Die Pflichtverletzung erfolgte auch schuldhaft. Die Klägerin hatte sich auf die Qualifizierungsmaßnahme bereits im September 2009 beworben und ihre Tätigkeit als Fahrscheinprüferin ab Oktober 2009 angeboten. Entlastungsvorbringen der Beklagten im Hinblick auf das Verschulden fehlt.
d) Der Schaden der Klägerin besteht in dem ihr entgangenen Lohn abzüglich der Sozialleistungen für den hier streitgegenständlichen Zeitraum. Die Höhe dieses Betrags hat das Arbeitsgericht im Teilurteil festgestellt. Einwendungen gegen die Berechnung des Arbeitsgerichts sind nicht erhoben worden. Die Beklagte selbst hatte einen höheren Vergütungsanspruch der Klägerin errechnet.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92
Abs. 1
ZPO. Dabei ist hinsichtlich des Beschäftigungsantrags von einem hälftigen Unterliegen der beiden Parteien ausgegangen worden. Die Revision ist wegen der Entscheidung über den Zahlungsanspruch der Klägerin zugelassen worden. Die Frage, ob das Angebot leidensgerechter Arbeit bei fehlender Ausübung des Direktionsrechts unter die schadensersatzrechtlichen oder die Annahmeverzugsvorschriften fällt, hat grundsätzliche Bedeutung. Im Hinblick auf den Beschäftigungsanspruch liegt demgegenüber eine Einzelfallentscheidung vor, die sich in den von der Rechtsprechung des 9. Senats vorgegebenen Bahnen hält. Das Gericht hat insoweit keine Veranlassung gesehen, die Revision zuzulassen.