Die zulässige Klage ist sachlich nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Zentrums ... - Region ... - Integrationsamt vom 21. Oktober 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Zentrum ... ... und ... - Integrationsamt - vom 23. Juni 2010 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten im Sinne des
§ 2 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch (SGB IX) bedarf gemäß
§ 85 SGB IX, soweit - wie im Falle des Klägers - kein Ausnahmefall des
§ 90 SGB IX vorliegt, der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes.
Die Entscheidung des Integrationsamtes begegnet vorliegend keinen rechtlichen Bedenken. Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Auch materiell-rechtlich kann die Entscheidung des Integrationsamtes nicht beanstandet werden.
Die Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung oder deren Versagung liegt im Ermessen des Integrationsamtes. Soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des
§ 89 SGB IX vorliegen, ist die Ermessensentscheidung des Integrationsamtes gemäß § 39
Abs. 1
SGB I nur durch Sinn und Zweck des Schwerbehindertengesetzes (jetzt
SGB IX), eines "Fürsorgegesetzes", gebunden (
vgl. BVerwG, Urteil vom 2.7.1992,
5 C 51.90, Buchholz 436.61, § 15
Nr. 6
SchwbG 1986 = BVerwGE 90, 287
ff.), das mit seinen Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz vor allem die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen soll (
BVerwG, Urteil vom 28.2.1968, 5 C 33.66, BVerwGE 29, 140, 141). Das Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch, Teil 2 verfolgt den Zweck, den Schwerbeschädigten vor den besonderen Gefahren, denen er wegen seiner Beeinträchtigung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt ist, zu bewahren und sicherzustellen, dass er gegenüber dem gesunden Arbeitnehmer nicht ins Hintertreffen gerät (
vgl. BVerwG, Urteil vom 12.1.1966, 5 C 62.64, BVerwGE 23, 123, 127). Das hat auch Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zuzustimmen ist oder nicht. Diese Entscheidung erfordert deshalb eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwer behinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Sie bestimmt die Grenzen dessen, was zur Verwirklichung der dem Schwerbehinderten gebührenden weit gehenden Fürsorge dem Arbeitgeber zugemutet werden darf (
vgl. BVerwG, Urteil vom 2.7.1994, a.a.O.,
m.w.N.).
Zutreffend ist das Integrationsamt in vorliegendem Verfahren davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Entscheidung mit einem eingeschränkten Ermessen gegeben waren, weil es zu Recht die Voraussetzungen des § 89
Abs. 3 Ziffern 1 bis 4
SGB IX angenommen hat. Gleichwohl hat das Integrationsamt darüber hinaus hilfsweise eine Ermessensentscheidung nach § 85
SGB IX getroffen, die ebenfalls nicht zu beanstanden ist.
Gemäß § 89
Abs. 3
SGB IX soll das Integrationsamt im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers die Zustimmung erteilen, wenn der schwerbehinderte Mensch in einem Interessenausgleich namentlich als einer der zu entlassenden Arbeitnehmer bezeichnet ist (§ 125 der Insolvenzordnung), die Schwerbehindertenvertretung beim Zustandekommen des Interessenausgleichs gemäß
§ 95 Abs. 2 SGB IX beteiligt worden ist, der Anteil der nach dem Interessenausgleich zu entlassenden schwerbehinderten Menschen an der Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen nicht größer ist als der Anteil der zu entlassenden übrigen Arbeitnehmer an der Zahl der beschäftigten übrigen Arbeitnehmer und die Gesamtzahl der schwerbehinderten Menschen, die nach dem Interessenausgleich bei dem Arbeitgeber verbleiben sollen, zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 ausreicht. In zutreffender Weise hat das Integrationsamt das Vorliegen all dieser Voraussetzungen bejaht. Das Vorliegen atypischer Besonderheiten, die das Abweichen von der grundsätzlichen Zustimmungspflicht des Integrationsamtes rechtfertigen könnten (
vgl. BVerwG vom 2.7.1992 -
5 C 39.90 - BVerwGE 90, 275 bis 287 = DVBl 1992, 1487
ff.), sind im Falle des Klägers nicht ersichtlich.
Die hier nach § 89
Abs. 3
SGB IX eingeschränkte Ermessensentscheidung des Integrationsamtes ist ebenso wie die zusätzlich getroffene Ermessentscheidung nach § 85
SGB IX - gemessen an der Vorschrift des § 114
VwGO - nicht zu beanstanden.
Wie das Bundesverwaltungsgericht mehrfach hervorgehoben hat, gewinnt im Rahmen dieser Ermessensentscheidung der Schwerbehindertenschutz dann an Gewicht, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben, so dass an die Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber besonders hohe Anforderungen zu stellen sind, um auch den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck gekommenen Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können (
vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.1995,
5 C 24.93, DÖV 1996, 830/831
m.w.N.), während die Belange des Schwerbehinderten umso geringer zu gewichten sind, je weniger ein Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigung besteht. Maßgeblich ist insoweit der vom Arbeitgeber - hier des Beigeladenen - genannte Kündigungsgrund, unabhängig davon, ob dieser die Kündigung arbeitsrechtlich rechtfertigt. Denn die Kündigung "erfolgt" aus dem Grund, den der Arbeitgeber zu ihrer Rechtfertigung angibt (so
BVerwG, Urteil vom 2.7.1992, 5 C 39.90, BVerwGE 90, 275
ff. = Buchholz, 436.61, § 21
SchwbG 1986
Nr. 3).
Zutreffend ist das Integrationsamt von einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen ausgegangen und hat einen Zusammenhang zwischen Schwerbehinderung und dem Kündigungsgrund zu Recht verneint.
Der Beigeladene hat, wie sich aus dem Interessenausgleich vom 23. November 2009 entnehmen lässt, die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin einzustellen
bzw. endgültig stillzulegen. Mit Wirkung zum 28. Februar 2010 ist der Geschäftsbetrieb endgültig stillgelegt worden. Diese unternehmerische Entscheidung kann
bzw. darf weder durch das Integrationsamt noch durch das Verwaltungsgericht auf ihre Berechtigung hin überprüft werden. Auch sieht die Kammer keine Veranlassung, die Erklärungen des Beigeladenen zu der endgültigen, insolvenz-
bzw. liquidationsbedingten Betriebsstilllegungsabsicht
bzw. einer fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzuzweifeln. Für das Integrationsamt bestand - ebenso wie für das Gericht - im konkreten Fall nur die Verpflichtung zu überprüfen, ob die arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der beabsichtigten Kündigung "ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt und sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt" (
BVerwG vom 2.7.1992 - 5 C 39.90 -
a. a. O. m. w. N.). Eine an den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen zur rechtsmissbräuchlichen Antragstellung zu messende Offensichtlichkeit im vorgenannten Sinne liegt zur Überzeugung der Kammer hier aber nicht vor.
Die von Klägerseite vorgetragenen Argumente sind im Wesentlichen ausschließlich arbeitsrechtlicher Natur und können bereits deshalb nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sein. Zu dem eigentlichen Schutzzweck der §§ 85
ff. SGB IX, nämlich den schwerbehinderten Menschen vor ungerechtfertigten Kündigungen zu schützen, die im Zusammenhang mit der Behinderung stehen, wurden hingegen keine konkreten Gesichtspunkte vorgetragen.
Soweit die Klägerseite auf einen (Teil-) Betriebsübergang hinsichtlich der ... ... hinweist, ist dem entgegenzuhalten, dass insoweit keinerlei Zusammenhang zwischen der Gesamtbetriebsstilllegung und der Schwerbehinderung des Klägers erkennbar ist. Insoweit besteht kein Unterschied zu einem Arbeitnehmer, der nicht schwerbehindert ist und dessen Arbeitsplatz gleichermaßen von der Stilllegung des Geschäftsbetriebes der Insolvenzschuldnerin betroffen ist. Insoweit kann der Kläger im Verwaltungsverfahren nicht besser gestellt werden als ein nicht schwerbehinderter Arbeitnehmer, sondern muss sich wie dieser insoweit,
d. h. was die privatrechtliche Wirksamkeit der Kündigung angeht, auf die Überprüfung durch die Arbeitsgerichte verweisen lassen (so
BVerwG vom 2.7.1992,
a. a. O.).
Es ist weder Aufgabe der Verwaltungsbehörde noch der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu überprüfen, ob ein Betrieb tatsächlich stillgelegt wurde oder ob ein Betrieb (
bzw. einzelne Betriebsteile oder -bereiche) auf einen Dritten übergegangen ist (
bzw. sind). Vielmehr können nur die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit verbindlich feststellen, ob ein Betrieb tatsächlich stillgelegt worden ist (
vgl. OVG Brandenburg vom 20.3.1996 -
4 A 171/95 -;
OVG Münster vom 21.3.2000 Behindertenrecht 2000, 205
ff. = NZA-RR 2000, 406
ff. für die insoweit vergleichbare Vorschrift des § 18
Abs. 1 Satz 2 BErzGG). Darüber hinaus ist es nicht erforderlich, dass die Stilllegung zum Zeitpunkt der maßgeblichen Behördenentscheidung bereits vollständig abgeschlossen sein müsste. Es genügt vielmehr bereits die ernsthafte und endgültige Absicht des Arbeitgebers, seinen Betrieb stillzulegen (
OVG Brandenburg vom 20.3.1996
a. a. O.;
OVG Münster vom 21.3.2000,
a. a. O.).
Deshalb kann der Vortrag der Klägerseite, tatsächlich liege ein teilweiser Betriebsübergang im Sinne des § 613 a
BGB vor, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nicht überprüft werden und muss somit als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben.
Sinn und Zweck des sozialrechtlichen Sonderkündigungsschutzes ist es nicht, eine zusätzliche zweite Kontrolle der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Kündigung zu schaffen. Die §§ 85
ff. SGB IX sollen nach ihrer Regelungskonzeption erkennbar keinen umfassenden Schutz schwerbehinderten Arbeitnehmer vor einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bieten (
BVerwG vom 11.5.2006 Behindertenrecht 2007, 107;
BVerwG vom 11.9.1990 Buchholz 436.61 § 15
SchwbG 1986
Nr. 4). Das Integrationsamt hat im Zustimmungsverfahren nach §§ 85
ff. SGB IX deshalb grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Schwerbehinderten im Sinne von
§ 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist (
BVerwG vom 2.7.1992,
a. a. O.). Auch diese Prüfung ist allein von den Arbeitsgerichten vorzunehmen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die beabsichtigte Kündigung nach arbeitsrechtlichen Vorschriften offensichtlich unwirksam ist. Eine solche Offensichtlichkeit kann vorliegend schon bereits deshalb nicht angenommen werden, weil, auch wenn diese Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist, das Arbeitsgericht ... mit Urteil vom 23. Juli 2009 (Az: ...) die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen hat.
Auch hatte der Beklagte hier die gesetzliche Vermutung des § 125
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 InsO
i. V. m.
§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG zu beachten. Danach gilt die Kündigung der auf Grund einer Betriebsvereinbarung in einem Interessenausgleich namentlich bezeichneten Arbeitnehmer - wie hier des Klägers - als durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb oder einer Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen, wenn eine Betriebsänderung geplant ist und zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat ein Interessenausgleich zu Stande gekommen ist, in dem Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, namentlich bezeichnet sind. Nach § 111 Satz 3
Nr. 1
BetrVG gilt als Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 1
BetrVG unter anderem die Stilllegung - wie hier - des gesamten Betriebes. Die arbeitsgerichtliche Überprüfbarkeit bei einer vom Insolvenzverwalter in Anwendung der von den Betriebsparteien vereinbaren Namensliste ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung ist nur in Ausnahmefällen in Frage zu stellen (
BAG vom 28.8.2003 NZA 2004, 432
ff.), in solch einem Fall beschränkt sich die - arbeitsgerichtliche - Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers auf die Voraussetzungen des § 125 InsO (
BAG vom 17.11.2005 NZA 2006, 370
ff.). Es kann an dieser Stelle als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob diese nach § 125
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 InsO zu Gunsten des Beigeladenen zu beachtende Vermutung der Betriebsbedingtheit grundsätzlich auch das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit in einem Betrieb des Unternehmens umfasst, wie es das Bundesarbeitsgericht für die gesetzliche Vermutung des § 1
Abs. 5 Satz 1
KSchG bereits entschieden hat (
BAG vom 6.9.2007, DB 2008, 640
ff. = BB 2008, 727
ff.). Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des § 125 InsO für den Regelfall angenommen, der Betriebsrat werde seine Verantwortung gegenüber den von ihm repräsentierten Arbeitnehmern wahrnehmen, deshalb nur unvermeidbaren Entlassungen zustimmen und darauf achten, dass bei der Auswahl der ausscheidenden Arbeitnehmer soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt werden. Es erscheint demnach gerechtfertigt, die soziale Rechtfertigung einer vom Insolvenzverwalter in Anwendung einer Namensliste ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung nur noch in Ausnahmefällen in Frage zu stellen (Reg Begr Bt-Drucks. 12/2443
S. 149). Insoweit können weder dem Integrationsamt noch dem Verwaltungsgericht weitergehende Prüfungsbefugnisse als den Arbeitsgerichten zukommen.
Im Übrigen wird gemäß § 117
Abs. 5
VwGO auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid vom 21. Oktober 2009 sowie des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 Bezug genommen.
Auch die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt und der damit verbundenen schlechten Vermittlungschancen gerade Schwerbehinderter trifft alle Schwerbehinderten gleichermaßen und verlangt vom Kläger keine über allgemeine Belastungen hinausgehende Sonderopfer ab. In Anbetracht all dessen wird die Entscheidung des Integrationsamtes den Zielsetzungen des Schwerbehindertengesetzes gerecht. Ermessensfehler im Sinne des § 114
VwGO sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung des Integrationsamtes, der Kündigung zuzustimmen, war rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenentscheidung aus §§ 161
Abs. 1, 162
Abs. 3, 154
Abs. 1, 188 Satz 2
VwGO abzuweisen. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
Abs. 1
VwGO i. V. m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.