Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2
SGG).
Nach § 80 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstes wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Beschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschrift des BVG. § 30 Abs 2 BVG bestimmt, dass die
MdE (seit 21.12.2007: Grad der Schädigungsfolgen (
GdS), BGBl I 2904) ua dann höher zu bewerten ist, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in dem vor der Schädigung ausgeübten oder nachweisbar angestrebten Beruf besonders betroffen ist. Nach § 30 Abs 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, einen BSchA. Gibt es für den Beschädigten Erfolg versprechende und zumutbare Maßnahmen zur Rehabilitation (seit 1.7.2001: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben, BGBl I 1046), so entstehen gemäß § 29 BVG Ansprüche auf Höherbewertung des
GdS und auf BSchA frühestens in dem Monat, in dem solche Maßnahmen abgeschlossen sind.
Damit wird ein zeitliches Nacheinander von Maßnahmen zur Rehabilitation und dem Anspruch auf einkommensabhängige Versorgungsleistungen (unter Einschluss der an eine Höherbewertung des
GdS nach § 30 Abs 2 BVG anknüpfenden Rentenleistungen) vorgeschrieben. Letztere entstehen erst nach erfolgreichem Abschluss oder nach Scheitern zumutbarer und Erfolg versprechender Rehabilitationsmaßnahmen. Ob das auch gilt, wenn die Versorgungsverwaltung Rehabilitationsmaßnahmen unangemessen hinauszögert, hat der Senat offen gelassen (
BSG SozR 3-3100 § 29 Nr 1 S 3). Die Priorität von Rehabilitationsmaßnahmen gilt aber uneingeschränkt auch in der Zeit, um die sie sich hinauszögern, weil der Beschädigte nicht mitwirkt. Entfallen während dieser Zeit Zumutbarkeit und/oder Erfolgsaussicht, so wirkt der Prioritätsgrundsatz nicht mehr - nur - anspruchsaufschiebend, sondern anspruchsausschließend.
Ob das
LSG einen solchen Fall fortdauernden Anspruchsaufschubs oder endgültiger Anspruchsverhinderung zu Recht mit der Begründung angenommen hat, der Kläger habe an seiner geplanten beruflichen Rehabilitation nicht ausreichend mitgewirkt, lässt sich nach den im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 163
SGG), im Revisionsverfahren nicht abschließend entscheiden. Das führt zur Zurückverweisung der Sache an das
LSG, weil das dem Kläger ungünstige Berufungsurteil mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen auch nicht aus den weiteren, von der Beklagten und vom SG angeführten Gründen bestätigt werden kann.
Das
LSG hat zwar unter Hinweis auf das arbeitsamtsärztliche Gutachten vom 21.6.1988 festgestellt, dass damals für den Kläger nach Art und Schwere der Schädigungsfolgen, nach seinen geistigen Fähigkeiten, seinem Alter und seiner Eignung Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation allgemein Erfolg versprechend und zumutbar gewesen seien. Ebenso hat es festgestellt, dass dies auch für die besondere, in der Zeit vor Mai 1989 geplante "Weiterbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann mit gewerblicher Ausbildung" galt, die sich als berufliche Perspektive aus den Beratungen der von Behörden der Kriegsopferversorgung eingeschalteten Arbeitsverwaltung ergeben hatte.
Eine solche Rehabilitationsaussicht genügt aber nicht, um die anspruchsaufschiebende (und ggf - ausschließende) Wirkung des § 29 BVG bejahen zu können. Der Senat lässt offen, ob dafür ein - hier möglicherweise fehlendes - konkretes, etwa nach Ziel, Zeit, Ort, Inhalt, Dauer und Veranstalter der Rehabilitationsmaßnahme sowie nach begleitenden Leistungen bestimmtes Angebot der Verwaltung zu fordern ist (vgl dazu Böhm, Der Versorgungsbeamte 1987, 100, 112, 113 und - weitergehend - Hansen, Der Berufsschadensausgleich, 1996, 77, der entgegen
BSG SozR 3-3100 § 29 Nr 1 S 3 eine bewilligende Verwaltungsentscheidung verlangt). Jedenfalls muss ein Beschädigter, für den es Erfolg versprechende und zumutbare Rehabilitationsmaßnahmen gibt, vorab über die leistungsrechtliche Bedeutung der Aussicht auf Rehabilitation und die Folgen fehlender Mitwirkung belehrt werden (in diesem Sinne schon der BMA zur Vorgängervorschrift des § 30 Abs 6 BVG (damaliger Fassung): Rundschreiben vom 17.10.1968 - V/2 - 5211.1 - 2230/68 - BVBl 1968, 143) . Geschieht das nicht, so endet der Anspruchsaufschub nach § 29 BVG auch dann, wenn die Rehabilitationsbemühungen sich verzögern oder scheitern, weil der Beschädigte nicht mitgewirkt hat.
Das folgt - mangels ausdrücklicher Normierung - aus Ziel, Zweck und Funktion der Vorschrift. Sie beruht zwar weiter auf dem im Versorgungsrecht seit langem geltenden Gedanken, dass nicht mit Rente abgefunden werden soll, wem zB durch Umschulung geholfen werden kann (vgl
BSG SozR Nr 22 zu § 30 BVG), zielt aber nicht darauf ab, rehabilitationsunwillige Kriegs- und Wehrdienstopfer durch Vorenthalten einkommensabhängiger Leistungen zu bestrafen und auf diese Weise Haushaltsmittel einzusparen. Kommt es dazu, hat die Vorschrift ihr eigentliches Ziel nicht erreicht. § 29 BVG soll sicherstellen, dass der zur Schadensminderung verpflichtete Beschädigte zu seinem eigenen Besten an einer von Amts wegen durchzuführenden beruflichen Rehabilitation (vgl § 26 BVG
iVm § 54 Abs 2 Kriegsopferfürsorgeverordnung;
BSG, Urteil vom 30.9.1966 -
9 RV 752/65 - insoweit nicht abgedruckt in SozR Nr 22 zu § 30 BVG) mitwirkt (vgl zu Ziel, Zweck und Sinn der Rehabilitation: Böhm, aaO, S 100; Hansen, aaO, S 75) und so den Grundsatz "Rehabilitation vor Rente" verwirklicht (
BSG SozR 3-3100 § 29 Nr 1 S 3; BT-Drucks 7/4653, S 8). Die dazu angedrohte Sanktion (Beginn der in § 29 BVG genannten Leistungen erst nach Abschluss von Rehabilitationsmaßnahmen) kann das Verhalten des Beschädigten (Mitwirkung an den Rehabilitationsbemühungen des Trägers) nur dann dem Normzweck entsprechend steuern, wenn er von dem drohenden Nachteil weiß. Nur so verstanden fügt sich die Vorschrift in die im Sozialrecht allgemein geltenden Regeln über die Folgen fehlender Mitwirkung (vgl § 66
SGB I) ein.
Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, ob überhaupt und ggf wann der Kläger im Zusammenhang mit den 1988/1989 stattgefundenen Rehabilitationsbemühungen über die leistungsrechtliche Bedeutung unausgeschöpfter, Erfolg versprechender und zumutbarer Möglichkeiten zur beruflichen Rehabilitation belehrt worden ist oder ob er etwa ohne Belehrung davon gewusst hat, dass Ansprüche auf Höherbewertung der
MdE (des
GdS) und auf BSchA bei fehlender Mitwirkung an einer derartigen Rehabilitation nicht würden entstehen können. Dazu wird das
LSG den Sachverhalt im wieder eröffneten Berufungsverfahren weiter zu erforschen haben. Im Falle einer späteren Belehrung oder Kenntnis (etwa erst im Laufe des Berufungsverfahrens) wird das
LSG weiter zu prüfen haben, ob es in diesem Zeitpunkt - noch - zumutbare und Erfolg versprechende Rehabilitationsmöglichkeiten gegeben hat.
Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.